Infomail zu den vollständigen Grundschulöffnungen

des Gesamtpersonalrats der Lehrer*innen im Schulamtsbezirk Wiesbaden und Rheingau-Taunus

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wie befürchtet sind heute die aktuellen Informationen zur weiteren Öffnung der Schulen verschickt worden.

 

Anbei die Einzelheiten zum Paradigmenwechsel im HKM. Quintessenz: gestern noch Händewaschen und Abstand halten mit Herrn Drosten aus Berlin und dem RKI, ab übernächster Woche ohne Abstand im Klassenverband mit Herrn Fickenscher aus Kiel. 

Damit sich alle Schulformen von der auf die Grundschulen zukommenden Veränderungen und Belastungen ein Bild machen können, geht diese Mail an alle SPR.

 

Das Vertrauen in den hessischen Kultusminister und seine Verlässlichkeit ist einmal mehr massiv „zutiefst erschüttert“, denn er hat in dem Erlass vom 7. Mai zur Öffnung der Grundschulen ausdrücklich geschrieben, dass alle Regelungen einschließlich der Vorgaben zu Gruppengrößen und Abstandsregeln „zunächst bis zu den Sommerferien Bestand haben“. Auch seine Zusage, zukünftig die Eltern und die Lehrkräfte rechtzeitig zu informieren und einzubeziehen, ist offenbar einmal mehr „keinen Fetzen Papier wert“.

 

Wir hätten zudem erwartet, dass es hier eine Stellungnahme der Gesundheitsämter aus deren Kenntnis vor Ort berücksichtigt worden wäre. Eine so generelle Öffnung erachten wir deswegen als unverantwortlich.

 

Wir sehen – und erhalten die ersten, nachvollziehbaren Rückmeldungen –, dass die Grundschulen in gehörigen Stress und Herausforderungen geraten, nun alle Planungen, Stundenpläne, Räumlichkeiten usw. neue aufzustellen.

 

Aber eines vorneweg: Wir/Sie müssen als Personalvertreter*innen dringend darauf achten, dass die Personalrät*innen bei der Vorbereitung und Umsetzen der Schulöffnung bzgl. ihrer Mitbestimmungsrechte nach HPVG eingebunden werden (Wichtige Aspekte der Arbeitszeit, Organisation von Arbeitspausen für die Lehrkräfte, Einsatz von Risikogruppen und Teilzeitkräften, die in der letzten Zeit zum Teil zur Aufstockung ihrer Teilzeit „überredet“ bzw. gedrängt wurden). 

 

Wichtig Aspekte der Wiederöffnung im Brief des Ministers Lorz:

-       Die Testphase beginnt am 22.6.2020 mit der vollständigen Öffnung aller Vorklassen, Grundschulen und Grundstufen an Gesamtschulen sowie Förderschulen.

-       Die Notfallbetreuung entfällt ab dem 22.6.

-       Vier Zeitstunden für die Klassen 1 und 2, fünf Zeitstunden für die Klassen 4 und 5

-       Unterricht in der üblichen Klassenstärke im Klassenverband mit festem „Personalteam“

-       Eine Nachmittagsbetreuung bis 14.30 Uhr ist möglich

-       Eltern haben die Möglichkeit, ihre Kinder vom Unterricht zu befreien (schriftliche Erklärung)

-       Die daraus resultierenden Veränderungen in den Hygieneplänen sind für die nächste Woche (ab dem 15.6.) angekündigt, die dann bis zum 22.6. vor Ort umgesetzt werden müssen. 

-       Risikogruppen: Die Altersbegrenzung von 60 Jahren entfällt vollständig. Eine Befreiung ist weiterhin bei eigener gesundheitlicher Gefährdung bzw. von gefährdeten Personen im eigenen Hausstand möglich. Vorlage eines Attests ist hier für Voraussetzung. 
Allerdings! Die Corona-Verordnung ist noch nicht angepasst. Diese hat eine Laufzeit 05.07. Die hier aufgestellten Regelungen haben bis zu ihrer Änderung Gültigkeit genauso wie die Regelung der Hygiene-Verordnung. Das heißt: im Moment gilt die Abwesenheit der Ü60 Kolleg*innen noch als Vertretungsgrund für VSS und in besonderen Fällen TVH-Kräfte.

 

Das ist auf die Schnelle das zusammengefasst, was uns hier bei der Lektüre der Schreiben aufgefallen ist. 

 

Achtung:
Sobald an den Grundschulen die Erkenntnis einsetzen sollte, dass die Umsetzung der geforderten Stundenzahl aufgrund fehlender Lehrkräfte nicht realisierbar sein sollte, bitten wir um Rückmeldung. 

 

Hier könnte sich evtl. eine Folgeproblematik von Zwangsabordnungen aus den Gymnasien ergeben. Diese sind gerade aufgefordert Listen dem staatlichen Schulamt vorzulegen (bis zum 19.06.), um die Zwangabordnungsquote aus Gymnasium an Grundschulen zu erfüllen. 

 

Der GPRLL empfiehlt nach wie vor allen, wirklich nur das zu tun, was verantwortlich umzusetzen geht. Was nicht machbar ist, kann nun mal nicht gemacht werden – Schulleitungen, die sich unsicher sind, inwiefern sie sich gegen nicht erfüllbare Vorgaben „wehren“ können, können sich jederzeit auch an den GPRLL wenden, denn dieser ist bekanntlich die personalvertretungsrechtliche Ebene von Schulleitungen. 

 

Vor allem die Vorgabe der Unterrichtsabdeckung im Sinne der verlässlichen Schulzeiten (vier Zeitstunden für die Klassen 1 und 2, fünf Zeitstunden für die Klassen 3 und 4) muss angesichts des Personalmangels und anderer Faktoren kritisch hinterfragt werden. §17 des Hessischen Schulegesetzes sagt hierzu auch deutlich: „Die Schule legt die nähere Ausgestaltung des Zeitrahmens in eigener Verantwortung fest.“ Dieser Gestaltungsrahmen sollte deutlich kreativ genutzt werden. 

 

Die Arbeitsgesetze etc. sind ohnehin einzuhalten – hier sind ÖPR aufgefordert, einen deutlichen Blick auf die Kolleg_innen in Teilzeit zu haben, damit diese nicht über Gebühr zu Tätigkeiten herangezogen werden. 

 

Klar ist, dass, wer im vollen Umfang seiner Pflichtstunden wieder Unterricht gibt, nicht noch zusätzliche Unterrichtstätigkeiten im Bereich „Homeschooling“ leisten kann. Wenn das „Homeschooling“ für Kinder, die von ihren Eltern nicht zur Schule gelassen werden, nicht von nicht im Präsenzunterricht eingesetzten Kolleg_innen geleistet werden kann, muss dieses Angebot auf ein Minimum heruntergefahren werden

 

Für die konkrete Unterrichtsgestaltung vor Ort kann evtl. hilfreich sein, dass auch Unterrichtsgänge (in der festen Gruppe) möglich sind, Unterricht also durchaus auch im Freien stattfinden kann. 

 

Die Zumutungen, welche das Vorgehen des HKM aus Sicht des GPRLL beinhaltet, müssen nicht unwidersprochen hingenommen werden. Gerade Personalräte sind als unabhängige, gewählte Gremien frei, sich im Namen der gesamten Schulgemeinde mit Protestschreiben an das HKM, die politischen Parteien, Verbände etc. zu wenden. Auch hier unterstützt Sie der GPRLL auf Wunsch- sprechen Sie uns an! Selbstverständlich wird der GPRLL auch die Kritik am Schulamt vorbringen sowie über ein entsprechendes Schreiben an das HKM beraten. Auch sind die Verbände hier schon tätig – entsprechende Schreiben etc. finden Sie auf den Homepages der Verbände. 

 

Auf eine wichtige beamtenrechtliche Möglichkeit, Bedenken gegen dienstliche Anweisungen zu formulieren und diese auch zurückzuweisen, haben wir in einem der vorangegangenen Newsletter schon einmal hingewiesen. Aus gegebenem Anlass hierzu folgende Konkretisierungen: 

 

Remonstration – nicht nur Recht, sondern sogar Pflicht!

Die Verpflichtung zur Remonstration ist in § 36 des Beamtenstatusgesetzes geregelt. Dieser hat folgenden Wortlaut:

(1) Beamtinnen und Beamte tragen für die Rechtmäßigkeit ihrer dienstlichen Handlungen die volle persönliche Verantwortung.

 

(2) Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dienstlicher Anordnungen haben Beamtinnen und Beamte unverzüglich auf dem Dienstweg geltend zu machen. Wird die Anordnung aufrechterhalten, haben sie sich, wenn die Bedenken fortbestehen, an die nächst höhere Vorgesetzte oder den nächst höheren Vorgesetzten zu wenden. Wird die Anordnung bestätigt, müssen die Beamtinnen und Beamten sie ausführen und sind von der eigenen Verantwortung befreit. Dies gilt nicht, wenn das aufgetragene Verhalten die Würde des Menschen verletzt oder strafbar oder ordnungswidrig ist und die Strafbarkeit oder Ordnungswidrigkeit für die Beamtinnen oder Beamten erkennbar ist. Die Bestätigung hat auf Verlangen schriftlich zu erfolgen.

 

(3) Wird von den Beamtinnen oder Beamten die sofortige Ausführung der Anordnung verlangt, weil Gefahr im Verzug besteht und die Entscheidung der oder des höheren Vorgesetzten nicht rechtzeitig herbeigeführt werden kann, gilt Absatz 2 Satz 3 und 4 entsprechend.

 

Mit einer Remonstration haben Beamtinnen und Beamte also die Möglichkeit, Bedenken gegen eine dienstliche Weisung vorzubringen. Die Bedenken werden üblicherweise schriftlich vorgetragen, die konkrete Dienstanweisung in Zweifel gezogen. Auf die Remonstration hin muss die oder der Vorgesetze entscheiden, ob sie oder er die Weisung aussetzt, sprich, zurücknimmt. Die andere Möglichkeit ist, dass die oder der Vorgesetzte die oder den Beamten erneut dienstanweist. Für diesen Fall ist die rechtliche Folge, dass die Beamtin oder der Beamte Folgen der Dienstanweisung nicht selbst zu verantworten hat. Aktuell geht es um eine recht pauschale Remonstration gegen die Wiederaufnahme des Regelunterrichts. Konkret bedeutet dies, dass eine Remonstration gegen die Wiederaufnahme des Regelunterrichts zur Folge hat, dass Lehrkräften keine Aufsichtspflichtverletzung vorgeworfen werden kann wenn es zu einer Neuinfektion an der Schule kommt oder zu anderen Folgen, die sich aus der Wiederaufnahme des Regelunterrichts unter den gegenwärtigen Bedingungen ergeben könnten. Die Remonstration ist an die Schulleitung zu adressieren (oder aber, wenn die Schulleitung selber remonstrieren möchte, an das Schulamt) und sollte angesichts der Brisanz der Lage auch in Kopie an das HKM weitergeleitet werden. Die Lehrkräfte haben einen Rechtsanspruch, dass auf Remonstration hin eine Reaktion erfolgt.

 

Wir wünschen allen in den Grundschulen beteiligten Lehrkräften, Sozialarbeiter*innen, Sozialpädagog*innen und Erzieher*innen starke Nerven und ein stabiles Immunsystem.

Und das ist nicht sarkastisch, sondern wirklich ernst gemeint…

 

Mit freundlichen Grüßen…

 

Manon Tuckfeld

Vorsitzende des Gesamtpersonalrats

der Lehrerinnen und Lehrer beim Staatlichen Schulamt

für den Rheingau-Taunus-Kreis und die Landeshauptstadt Wiesbaden

GPRLL-RTWI