Wir fühlen uns wie Versuchskaninchen

Eine exemplarische Rückmeldung aus einer Schule

Uns erreichzen derzeit täglich viele Rückmeldungen mit Bewertungen und Zustandsbescheibungen aus den Wiesbadener und Rheingauer Schulen. Diese NAchricht wollen wir exemplarisch veröffentlichen:

Vor den Ferien das Desaster mit der spontanen Notfallbetreuung (bei uns blieben nur 3 KollegInnen übrig, die überhaupt in Frage kamen, da alle anderen Vorerkrankungen oder kleine Kinder hatten) und dann ging es ja chaotisch weiter.  

Jetzt hatten doch alle Beteiligten 4 Wochen Zeit, sich etwas schlaues zu überlegen, was herauskam, ist das Papier nicht wert, auf dem es steht. Die Hygienevorschriften lassen sich in den Grundschulen nicht einhalten, ebenso eine Maskenpflicht. Wir LehrerInnen sind im Schulbetrieb extrem ansteckungsgefährdet und unsere Familien auch. Die Fürsorgepflicht unseres Dienstherren uns gegenüber  vermisse ich seit Jahren, ich weiß warum, sie wird einfach ignoriert und jetzt  wo die LehrerInnen dringend den fürsorglichen Schutz (Arbeitsschutz=Gesundheitsschutz) des Landes Hessen bräuchten, sind wir am Ende der Nahrungskette mal wieder die, die den realitätsfernen Politikern die Kohle aus dem Feuer holen sollen. Tja, gäbe es Doppelbesetzungen in den Grundschulen, wäre so manches Orga-Problem leichter zu lösen, wären genug Lehrer da, müsste man nicht um jeden Risikoerkrankungsausfall bangen, hätte man nicht die Landkreise kaputt gespart, wären auch die Hygienevorschriften leichter einzuhalten. Und wenn man nicht unbedingt 2 Einkommen bräuchte, um seine Familie zu ernähren, könnte ein Elternteil entspannt zu Hause die Kinder sitten und alle Schulen könnten zu bleiben (neoliberale Asozialpolitik), sorry, aber das fällt uns jetzt gewaltig vor die Füße.

Und noch mehr:

Der massive Sparzwang der letzten Jahrzehnte hat dazu geführt, dass  wir im  Bildungsbereich  im digitalen Steinzeitalter vermodern, Lehrer sich nicht vernetzen können und Kinder nicht über das chancengleiche Equipment verfügen, um allein nur Arbeitsblätter abzurufen oder  auszudrucken geschweige denn Lernplattformen zu nutzen. Von diesen Kindern haben wir an unserer Schule einige. Wir versuchten in Zeiten des Datenschutzes vor den Ferien im Schweinsgalopp Telefonnummern und Mailadressen von Schülern von zu Hause aus zu aktualisieren, manche dieser Daten bekamen wir auch beim besten Willen nicht heraus, wie schon zu Unterrichtszeiten. Die Sekretärin scheint dafür nicht zuständig, obwohl sie an der Quelle sitzt und die Aktenschränke direkt vor sich hat (ungenügend geklärt). Dann sollten wir regelmäßig mit den Eltern und Kindern  telefonieren (ohne Diensthandy oder Diensttelnr.!!!!, aber irgendwie von zu Hause aus), um zu erfragen wie es zu Hause so läuft.  

Und dann sollten wir uns überlegen, wie wir Materialien an unsere Kinder verteilen und diese wieder zu uns bekommen, um sie zu kontrollieren. Wie kann denn das ohne weitreichende digitale Vernetzung, eingerichtete Server, fortgebildete Lehrer, gleiche technische Ausstattung der Kinder und auf die hessischen Grundschüler abgestimmten Lernplattformen funktionieren, in Zeiten, in denen soziale Kontakte zu vermeiden sind? Das funktioniert so nicht und ist schlichtweg eine Bankrotterklärung der hessischen Bildungspolitik.

Und diesmal können wir echt nichts mehr rocken. Wo kein Computer, da kein digitales Lernen... also Heftchen kopieren und mit Lernplänen vor Ort in der Schule  irgendwie austeilen .......machen wir auch in vielen Klassen weiterhin..

Meine Viertklasskollegen, die ab 27.4. unterrichten sollen,  fühlen sich als Versuchskaninchen, wir versuchen in der Schule händeringend eine Lösung für Montag zu basteln (eine Klassenlehrerin fällt wegen Vorerkrankung dann auch noch aus), aber die KollegInnen in den 4. Klassen fühlen sich von „oben“ massiv  im Stich gelassen, auch meine Schulleitung hatte bis heute 13.30 Uhr weder eine Rückmeldung vom Kreis(!), noch vom Schulamt noch vom HKM, wie die Hygienevorschriften am Montag irgendwie einzuhalten wären (kein warmes Wasser, keine geschlossenen Mülleimer, ob es ausreichend Seife oder Tücher gibt ist unklar, Masken für die Lehrer fehlen auch, ein absolutes Unding!). Auch sie fühlt sich alleine gelassen, vor allem weil sie die Verantwortung für die Einhaltung von Hygienevorschriften und Gesundheitsschutz von Kindern und Lehrern übernehmen muss. Das kann so nicht funktionieren!!!

Noch was zum Umgang des Kultusministers mit seinen LehrerInnen:

Schade, dass die Pressemitteilungen und Ankündigungen aus Wiesbaden oft freitags oder zu Unzeiten kommen, so dass wir alle am Wochenende nur am Rödeln sind, und an meiner Schule sind alle ausreichend beschäftigt, trotz „unterrichtsfrei“ und schade, dass der Kultusminister nicht eine  Pressekonferenz oder Pressemitteilung dazu nutzt, mal etwas Positives über seine Lehrer und Lehrerinnen zu sagen, wir sind weder systemrelevant noch Funktionsträger, halt irgendwie unwichtig, aber doch da.

Die internen Briefe vom HKM gehen nicht an Eltern oder die Öffentlichkeit, das ist nicht wertschätzend, sondern niederschmetternd. Dieser Umgang bekommt einen ganz faden Beigeschmack, wenn man bedenkt, welche gesundheitlichen Risiken wir auf uns nehmen sollen.