Remonstration bei Corona-Selbsttests in Schulen

Beispieltext

Seitens des Gesamtpersonalrat ist das folgende Schreiben heute an die örtlichen Personalräte gegangen.

Darin wird auch auf das angefügte beispiel einer remonstration verwiesen.

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- Mit der Bitte, die Info-Mails des GPRLL an die Kolleg*innen in den Schulen weiterzuleiten –

Liebe Kolleg*innen,

über die Ferien haben uns viele Stellungnahmen von Euch erreicht – fast immer mit dem gleichen Tenor: keine weiteren Zumutungen, wir sollen nicht in der Schule testen.
Der GPRLL unterstützt diese Position mit seiner Stellungnahme und hoffentlich guten Tipps.

Was können Kolleg*innen angesichts dieser Zumutungen tun?
Lehrerinnen und Lehrer können nur das tun, was ihnen nach bestem Wissen und Gewissen und im Rahmen ihrer Ausbildung und unter den gegebenen Rahmenbedingungen möglich ist.
Es gibt keine Dienstanweisung die Test der Schüler*innen praktisch durchzuführen (https://kultusministerium.hessen.de/schulsystem/umgang-mit-corona-an-schulen/fuer-schulleitungen/schreiben-schulleitungen/durchfuehrung-von-antigen-selbsttests-zum-nachweis-des-coronavirus-sars-cov-2-in-schulen – in Punkt 7 dieses Schreibens wird von „Hilfe leistenden Personen“ gesprochen – nicht von Lehrkräften).
Lehrkräfte sind seitens des HKM lediglich dazu aufgefordert, die Testdurchführung zu erläutern und zu begleiten.

Lehrerinnen und Lehrer und sozialpädagogische Fachkräfte, die diesen Auftrag nicht umsetzen wollen oder können, können sich – ggf. unter Inanspruchnahme des Remonstrationsrechts – unter Angabe der Gründe weigern, die Selbsttests oder deren Begleitung durchzuführen. Dies wird die Schulleitung und das Schulamt wenigstens zwingen, zunächst einmal die Probleme zur Kenntnis zu nehmen, eine gegenteilige Sichtweise zu begründen und dann auch auf weitere aktuelle Entwicklungen zu reagieren. Ein Widerspruch und eine Information der vorgesetzten Behörden über die konkreten Bedingungen und Hindernisse bei der Umsetzung einer Weisung ist in jedem Fall möglich.
Auf der Homepage der GEW Wiesbaden-Rheingau ist ein Remonstrationsbeispiel zu finden. Dies ist als Anregung und nicht als Musterschreiben gedacht, da eine Remonstration individuell zu halten ist.
Beschäftigte haben nach § 15 Arbeitsschutzgesetz die Pflicht, dem Arbeitgeber oder Dienstherrn eine Überlastung anzuzeigen, wenn daraus eine Gefährdung der eigenen Sicherheit oder Gesundheit oder der anderer Personen ausgehen kann („Überlastungsanzeige“). „Mustererklärungen“ sind hier nicht sinnvoll, da es wichtig ist, die konkreten Bedingungen und Erfahrungen am jeweiligen Arbeitsplatz darzustellen (Gruppengröße, Alter der Kinder, Zusammensetzung der Klasse, Schülerinnen und Schüler mit Förderbedarfen etc.).
Schulleitungen, Kollegien, Gesamtkonferenzen und Personalversammlungen können in Protestschreiben das Schulamt und HKM mit der Schulwirklichkeit und der Unmöglichkeit einer verantwortungsvollen Umsetzung der angeordneten Maßnahmen konfrontieren. Natürlich sollte man die GEW und den Gesamtpersonalrat von solchen Beschwerden in Kenntnis setzen.
Kollegien und Schulleitungen können beim Schulamt oder beim Schulträger einfordern, dass ihnen, wie in dem HKM-Schreiben zugesagt, „eine geschulte Patin oder ein geschulter Pate zur Verfügung stehen“ soll.
Evtl. können medizinisch ausgebildete Eltern durch die Schulleitungen/Schulelternbeiräte angefragt werden, die mit ihrer Expertise unterstützend in Planungsorganisation, Anleitung und Durchführung einbezogen werden können.

Lehrkräfte, die die Test aktiv unterstützen wollen, sei auf diesem Weg mitgegeben
Lehrkräfte, die bewusst freiwillig die Testanleitung und ggf. Durchführung vornehmen würden, sind laut HKM-Erlass „nicht für das Ergebnis verantwortlich“.

Dennoch empfiehlt der GPRLL, dass es eine solidarische Haltung im Kollegium geben sollte, die gemeinsam auf die Testdurchführung durch medizinisch ausgebildetes Personal außerhalb der Klassenräume dringt oder durchsetzt, es den Eltern zu überlassen, die Test zuhause durchzuführen.

Ausgangsituation
Mit Schreiben vom 12.04.2021 hat das HKM negative Testergebnisse, die nicht älter als 72 Stunden sein dürfen zur Voraussetzung für die Teilnahme am Präsenzunterricht gemacht.
Diese Prämisse setzt das HKM für Lehrkräfte eine Verpflichtung zur Vorlage entsprechender Nachweise durch. Abgesehen von einer 180°-Drehung des HKM nach den doch so positiven Erfahrungen der 21 Pilotprojekte mit freiwilligen Testungen für schulisches Personal und Schüler*innen soll diese Verpflichtung bar jeder personalrätlichen Mitbestimmung umgesetzt werden. Nehmen hier Lehrkräfte in Punkto Testpflicht eine Sonderstellung ein? Sind Lehrkräfte Menschen mit denen nicht gesprochen werden muss, nicht mit den Verbänden, nicht mit den Personalräten?
Schüler*innen, die kein solches Testergebnis vorlegen können/wollen, können schriftlich von der Teilnahme am Präsenzunterricht abgemeldet werden. Sie erhalten geeignete Aufgabenstellungen von der Schule – aber keine Begleitung durch Lehrkräfte wie im Präsenzunterricht.

Was es noch zu bedenken gibt:
Räumlichkeiten
Die Testungen sind „schulorganisatorisch“ vor Ort zu regeln, heißt es aus dem HKM. In der Praxis bedeutet dies wohl oft aus Ermangelung von Räumlichkeiten und organisatorischen Überlegungen, weil man nach der Testung im (halben) Klassenverband in den Präsenzunterricht starten kann: Klassenzimmer. Aktuell warnen führende Aerosolforscher wie Christof Asbach, Gerhard Scheuch und Birgit Wehner vor Treffen in Innenräumen, empfehlen neben dem Stoß- und Querlüften sowie Masken tragen dringend Luftreiniger auch an Schulen.
Das Testprozedere in den Schulen möglichst nach draußen bzw. in Turnhallen/Aulas zu verlagern, was durch Wechselunterricht sowie verringerte Präsenzzeiten organisatorisch zumindest teilweise ermöglicht werden kann.

Unterrichtszeit verrinnt – auch durch Tests
Durch die Durchführung der Tests zu Unterrichtsbeginn beklagen viele Kolleg*innen den Verlust von noch mehr Unterrichtszeit von ca. einer Schulstunde pro Woche. Als Gesamtpersonalrat nehmen wir neben Arbeitsbedingungen auch die Bildungspolitik in den Blick. Es ist nunmehr ein Dreivierteljahr vergangen, in dem die Landesregierung nicht in der Lage war, beherzt das Curriculum zu reduzieren. Statt dessen wird entweder die Gleichwertigkeit von Distanz- und Präsenzunterricht hochgehalten und propagiert. Oder man versucht Rückstände in der Stoffvermittlung durch freiwillige Ferienlerncamps aufzuholen.

Erschwerend kommt hinzu, dass Schnelltest - keine sichere Bank sind.
Gerade bei Kinder und Jugendlichen sind die Testergebnisse keine sichere Bank. Nach Angaben des RKI liegt die Sensitivität (also Genauigkeit) diese im Vergleich zum PCR-Test bei Patient*innen mit COVID-19-Symptomen bei 85,7% - bei asymptomatischen Patient*innen (die Situation in den Schulen) bei nur noch 38,9% (immer bezogen auf die positive PCR-Testung). Somit ist die Sensitivität der Schnelltest bemerkenswert gering, wenn asymptomatische Personen getestet werden. So bezweifeln beispielsweise Kinderärzte die Sinnhaftigkeit dieser Test in diesem Umfang.

Stigmatisierung und Druck
Darüber hinaus bestehe die Gefahr, dass negative Testergebnisse das Befolgen bewährter Hygieneregeln in den Schulen erheblich schmälere. Auch muss beachtet werden, was ein positives Testergebnis im Klassenverband hinsichtlich Stigmatisierungs-, Organisations- und Aufsichtsproblemen auslöst. Es kann sein, dass Kinder nicht mehr mit Freude, sondern mit Angst zur Schule kommen. Der massive Druck im Hinblick auf die nicht ganz so weitreichenden positiven Effekte der Tests sollte gesenkt werden. Der GPRLL tritt für Test ein, aber bitte mit Augenmaß und unter Beachtung der Rechte der Kolleg*innen.

Beste Grüße
Manon Tuckfeld
Vorsitzende des Gesamtpersonalrats
der Lehrerinnen und Lehrer beim Staatlichen Schulamt
für den Rheingau-Taunus-Kreis und die Landeshauptstadt Wiesbaden
GPRLL-RTWI
Walter-Hallstein-Straße 3-5
65197 Wiesbaden