Digitale Kommunikation - der dauernden Gefahr des Scheiterns ausgesetzt…

aus der Fraktion der GEW Wiesbaden-Rheingau im Gesamtpersonalrat der Lehrer*innen

Digitale Kommunikation – 

der dauernden Gefahr des Scheiterns ausgesetzt…

Lehrkräfte sind in Zeiten von Corona komplett auf sich allein gestellt. Ihnen helfen weder Handreichung noch Pseudo-Freigaben von Tools. Sie müssen entscheiden, was wann gegenüber wem eingesetzt wird. Diese Entscheidungen sind nicht frei von Fallstricken. Denn weder das HKM, noch das Staatliche Schulamt und erst recht nicht der Datenschutzbeauftragte machen klare Ansagen. 

Wer meint, dass dies einer Hilflosigkeit geschuldet ist, irrt unseres Erachtens. Hilflos ist weder das Ministerium noch das Staatliche Schulamt noch der Datenschutzbeauftragte. Sie sind berechnend, und zwar in der Form, die Verantwortung an die unterste Ebene abzugeben. 

Warum aber übernehmen die Verantwortungsträgen keine Verantwortung? Auch diese Frage zu beantworten, ist nicht allzu kompliziert. Im Grunde genommen wissen das Ministerium, das Staatliche Schulamt und der Datenschutzbeauftragte, dass das, was zurzeit unternommen werden muss, immer haarscharf an allen Gesetzen vorbeischlittert. 

In Pandemiezeiten ticken die Uhren anders: 

Duldung ist ein Zauberwort. Wegschauen und einfach machen lassen das Gebot der Stunde. 

Vertrauen in die Behörde verspielt

So fragt man sich, wie es passieren kann, dass ein Landesdatenschutzbeauftragter eine organisatorische Bombe in die Schullandschaft wirft und ein Kultusministerium davon offenbar vollkommen überrascht ist. Denn seit Monaten arbeiten Schulen – nicht nur, aber besonders Grundschulen – mit dem US-amerikanischen Anbieter Padlet. 

Dass die Kolleg*innen nicht alleine auf diese Idee gekommen sind, zeigen nicht zuletzt mehrere Fortbildungsangebote der Lehrkräfteakademie, die offensichtlich produktspezifisch fortbildet und fortbilden lässt. Die Lehrkräfteakademie wiederum ist eine dem Kultusministerium unmittelbar nachgeordnete Behörde. Somit sollte doch Vertrauen in die Empfehlungen dieser Institution Ausweis für Güte, Qualität und Datenschutzkonformität sein. 

Sehr nachzuvollziehen ist somit, dass die Kolleg*innen an den Schulen auf solche Empfehlungen und Fortbildungen vertrauen und das dort Präsentierte in die Schulen tragen. 

Der Datenschutzbeauftrage im Wechselmodus

Nun tritt der Datenschutzbeauftragte auf den Plan – eine Institution, die in Hessen dafür bekannt ist, alles durchzuwinken, was das Ministerium nicht gern untersagt wissen will – und macht auf einmal etwas Unerwartetes. 

Unerwartet, da die digitale Pinnwand Padlet seit langem in hessischen Schulen genutzt wird und es längst Aufgabe des HKM gewesen wäre, dieses durch die eigene Lehrkräfteakademie eingesetzte und damit den Schulen empfohlene Angebot eines US-amerikanischen Internetdienstes dem Datenschutzbeauftragten zur Prüfung vorzulegen. Was aber offensichtlich nicht oder verspätet – nachdem es an den Schulen eingeführt wurde – geschehen ist.

Unerwartet, hinsichtlich des ersten Ergebnisses – der Unzulässigkeit von Padlet in der derzeit oft genutzten Form – zumindest wenn die politische Dimension des Ganzen mal hintenangestellt wird. 

Denn bereits beim ersten Lesen der Datenschutzerklärung von Padlet dürfte auffallen, dass da etwas nicht stimmt. Denn verstehen kann man diese an vielen Stellen nur bedingt – was nicht nur daran liegt, dass sie ausschließlich auf Englisch vorliegt. So kommt der Datenschutzbeauftragte eigentlich gar nicht drum herum, diese kritischen Aspekte zu sehen und zum Ergebnis zu kommen, dass ein Einsatz in Schulen nur sehr bedingt möglich ist.

Wer war Schuld?

- Das Kultusministerium, welches zusammen mit seiner eigenen Lehrkräfteakademie dieser Problematik offenbar nicht bewusst war (womöglich aufgrund mangelnder Prüfung), 

- das Ministerium, dem die grundrechtsrelevante Problematik egal war und das darüber hinweggschaute, 

- der Datenschutzbeauftragte, der bei Abschluss seiner Prüfung das Ministerium womöglich nicht informiert hat

- das Ministerium, das um das Prüfergebnis vorab wusste und die Schulen dann so schlecht kennt, dass einem die Brisanz erst auffällt, wenn einem ein berechtigter Shitstorm aus den Schulen entgegenschlägt.

Und egal, welches dieser Szenarien nun am nahesten an die Realität herankommt. Eines wird einmal mehr deutlich: Wir erleben seit einem Jahr eine kommunikative Katastrophe nach der anderen, die die Schulen – über die ohnehin vorhandenen Herausforderungen – an die Grenzen ihrer Belastbarkeit führt. 

Und mit diesem Schauspiel rund um Padlet hat man wahrscheinlich ein weiteres Stück Vertrauen verspielt.

Nun kann man nur hoffen, dass man zumindest bereit ist, für solche Versäumnisse und unglückliche Kommunikation einzustehen und den Schulen zu helfen, gut aus der misslichen Lage herauszukommen, in die man sie selber hineingeführt, weggeschaut oder die man schlicht nicht gesehen hat.

…das hätte uns alles erspart werden können, wenn

1) die Rechtmäßigkeit des Einsatzes und die Datenschutzkonformität vorab mitgedacht worden wäre: „Privacy by Design“ bedeutet das gleichberechtigte Mitdenken von Datenschutz ohne sich dabei von Funktionen oder Aufmachung blenden zu lassen. 

2) es deutlich mehr Unterstützungsangebote für die Schulen gäbe, solange man diese weiterhin in der Verantwortlichkeit der Datenverarbeitungen belässt.

3) der Ausbau der Technik an den unterschiedlichen Bedarfen an digitale Werkzeuge zwischen Schulformen und Klassenstufen orientiert wird. 

4) Support und Unterstützung für den Ausbau der digitalen Strukturen gegeben wäre

5) Einbeziehung von personalrätlicher Mitbestimmung und demokratische Partizipationsstrukturen von vornherein gewährleistet werden

6) endlich genügend Geld und gute Konzepte zur Verfügung gestellt werden würden.

Nur so lassen sich nicht nur Fehler vermeiden – sondern so lässt sich auch nachhaltiges Vertrauen in diese tiefgreifende Entwicklung gewinnen. 

Gelungene, demokratisierte Digitalisierung funktioniert somit nur mit allen Beteiligten gemeinsam – und nicht an manchen vorbei.