Der Digitalisierung einen Rahmen gesetzt

Presseerklärung der GEW Südhessen zur Änderung des Schulgesetzes vom 18.03.2021

Zufrieden stellt die Vorsitzende des BV Südhessen fest können wir mit der nun beschlossenen Änderung zum Schulgesetz sein. Mit Augenmaß seien die Ansätze, die in Pandemiezeiten im Wildwuchs einwickelt worden seien, nun betrachtet worden. „Wichtiger, sie sind eingehegt. Insbesondere ist die Digitalisierung auf das Notwenige, pädagogisch Sinnvolle und demokratisch Vertretbare zurückgeführt“, so Tuckfeld.

Mit den Anpassungen und Konkretisierungen des Entwurfes zum Schulgesetz sieht sich der Bezirksverband der GEW Südhessen in seiner Kritik bestätigt. Und es zeigt sich, wie wichtig Anhörungen im Gesetzgebungsprozess sind. Diese Möglichkeit hatte der Landesverband der GEW genutzt, um ein von den Gliederungen der GEW in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten in den Prozess der Beteiligung einzubringen. 

Die Änderungen zum Entwurf der Landesregierung betreffen inhaltlich vor allen den Bereich der Digitalisierung. In dem Rechtsgutachten wurde auf die im ersten Entwurf unklaren und handwerklich fragwürdigen Formulierungen mit Nachdruck hingewiesen. Ohne die Intervention der GEW wären Schulleitungen in Hessen noch im laufenden Schuljahr mit einem auf Dauer festgeschriebenen Konflikt zwischen hessischen Schulgesetz und Europarecht (DSGVO) konfrontiert und überfordert worden. Dass es der Landesregierung jetzt trotzdem nicht gelungen ist, verlässliche Rechtsgrundlagen zu schaffen, ist beunruhigend.

Zur Begründung der geplanten Gesetzesänderung im Januar war noch festgestellt worden, dass sich die digitalen Videokonferenzformate (z.B. bei Konferenzen) bewährt hätten. Im nun verabschiedeten Gesetz heißt es: „Infolge verschiedener Bedenken, die im Rahmen der Anhörung zutage getreten sind, lässt sich noch nicht endgültig beurteilen, ob sich die Options elektronischer Konferenzsitzungen bewährt hat und entfristet werden sollte.“ Die eindeutige Befristung der nachgebesserten Änderungen auf Ende Januar 2023 ist somit folgerichtig und entspricht der GEW-Forderung. „Wir brauchen einfach Zeit und einen klaren Kopf, um beurteilen zu können, was sich wie bewährt hat. Ausnahmesituationen und die Not, es irgendwie hinkriegen zu müssen, waren und sind schon immer ein schlechter Ratgeber“, so Tuckfeld. Und weiter: „Wie etwas gemacht wird, hat auch Auswirkungen darauf, was dabei rauskommt. Es ist im hohen Maße unklar, ob mit der Wahl der Mittel nicht ein massiver Schub der Entdemokratisierung in Schule einzieht.“

Ebenso ist die grundlegende Ergänzung in §69 sinnvoll, die den Begriff „Distanzunterricht“ und alle daraus folgenden Erforderlichkeiten (z.B. für den Einsatz von Videokonferenzsystemen nach §83b) eindeutig definiert und auf besondere Ereignisse begrenzt – wie Schulschließungen zum Schutz von Leben und Gesundheit oder außergewöhnliche witterungsbedingte Ereignisse. Ebenso ist gesetzlich normiert, das die Zuschaltung per Videokonferenz nur zeitabschnittsweise zu ausgewählten Unterrichtsabschnitten erfolgen darf. Damit ist klar geregelt, dass der schulische Präsenzunterricht der Regelfall bleibt. „Unterricht ist Beziehungsarbeit“, so Tuckfeld. Diese alte pädagogische Binsenweisheit wird sich durchsetzen, wenn wir uns daranmachen (müssen), das nicht Verstandene und nicht Gelernte nachzuholen. Die Digitale Form ist als Unterrichtsersatz eine Krücke. Sie kann uns wird das vielfältige Zusammenspiel eines auf Beziehung beruhenden Lernprozesse nie adäquat ersetzen. 

Und drittens ist die Verdeutlichung, dass landeseigene Infrastrukturen von den Schulen zu nutzen sind, eine erkennbare Übernahme aus der Stellungnahme der GEW. Es ist und bleibt eben Aufgabe des Landes, die technische Ausstattung für Schüler*innen und Lehrkräfte sowie die Bereitstellung von datensicherer und datenschutzkonformer Systeme zur Verfügung zu stellen. Wir erkennen in dem hessischen Schulportal den richtigen Weg zu Gunsten einer digitalen Souveränität und einer ausschließlich auf die Schule angepassten, digitalen Unterstützung der unterrichtlichen Gestaltung durch Lehrkräfte. Wir begrüßen, dass mit dem Gesetz der Wildwuchs beendet werden soll, der sich vor allem in letzten Jahr an den Schulen entwickelt hat. „Wir erkennen nun auch“, so Tuckfeld, „dass sich das Land dieser Aufgabe zunehmend stellt“. Für den bis 31. Januar 2023 begrenzten Ausnahmezeitraum mit den aufgrund der GEW-Kritik erfolgten Nachbesserungen sieht die GEW nun die Möglichkeit für das Kultusministerium gegeben, endlich die Digitalisierung in Schule grundlegend zu regeln – rechtlich als auch infrastrukturell.

Leider wurden die Hinweise im Rechtsauffassung der GEW, dass eine Videoübertragung von Unterricht ohne Zustimmung der Lehrkraft unzulässig ist, nicht aufgegriffen. Hiervon scheint, wiewohl dies aus demokratischen Grundüberlegungen unverzichtbar ist, nicht ganz abgewichen zu sein. Allerdings ist in die Regelung aufgenommen, dass digitalgestützter Distanzunterricht auch mit Hilfe von Telefonkonferenzsystemen möglich ist. Damit ist ein milderes (technisches) Mittel benannt und der Lehrkraft der Anspruch eingeräumt im Rahmen ihrer pädagogischen Freiheit die Unterrichtsgestaltung freier und datenschutzfreundlicher als bisher zu gestalten. 

Diese teils positiven Einschätzungen sind vor dem Hintergrund der Nachbesserungen von der ersten zur zweiten Gesetzeslesung zu sehen. Dennoch kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Gesetz inkl. der Verordnung selbst nach den Nachbesserungen zur zweiten Lesung weiterhin nicht geeignet ist, Rechtssicherheit für die Schulleitungen und Kolleg*innen zu schaffen.

Es ist erkennbar, dass das nun verabschiedete Gesetz deutlich davon entfernt sind, eine angemessene Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung in Schulen zu schaffen. Die Formulierung des Gesetzes bleiben von einer juristisch handwerklichen Unbeholfenheit, die nicht geeignet ist, eine Konformität mit Europarecht (DSGVO) herzustellen. Sie stehen vielmehr in erkennbarem Konflikt mit dieser.

Die GEW hofft, dass die Vertretungen der Lehrkräfte zukünftig deutlich umfangreicher in diese Entwicklungen eingebunden werden. Denn dass und wie weit das Ministerium sich inzwischen von den schulischen Realitäten und Herausforderungen entfernt zu haben scheint, haben die beiden Schulgesetzänderungen während der Corona-Pandemie deutlich zu Tage treten lassen.