Rausgeworfen! & Abgehängt

Der Preis der Corona Beschulung

Pressemitteilung vom 27. April 2020

Der GEW-Wiesbaden-Rheingau ist durchaus klar, dass unter den aktuellen Bedingungen der Unterricht extreme Herausforderungen an Lehrer*innen und Schüler*innen stellt. Viele Lehrkräfte zählen in überalterten Kollegien zu einer Risikogruppe und sind daher vom Präsenzunterricht freizustellen, viele Kolleg*innen mit Vorerkrankungen sind im Augenblick ebenfalls nicht einsetzbar. Auch unsere Schüler*innen haben oft vergleichbare Probleme in ihren Familien und können daher die Berufsschule ab dem 27.04.2020 nicht besuchen. 

Durch die Hygieneanforderungen des Kultusministeriums https://www.hessen.de/presse/pressemitteilung/kultusministerium-veroeffentlicht-hygiene-plan-zum-schulstart-0 müssen Klassen geteilt oder gedrittelt werden. Die Folgen liegen auf der Hand, es fehlen Lehrer*innen, Räume und so vieles mehr. Das Kultusministerium reagierte Ende letzter Woche auf die vielen Beschwerden der Berufsschulen, denn dort sind ca. 80% aller Klassen sogenannte „Abschlussklassen“. Um den „Eliteklassen“ des Beruflichen Gymnasiums, der Fachoberschule und den Auszubildenden im letzten Ausbildungsjahr eine weitere Beschulung anbieten zu können, streicht man kurzer Hand den Schüler*innen anderer Schulformen den Unterricht und die Prüfungen. Nicht einmal Homeschooling soll noch angeboten werden. https://kultusministerium.hessen.de/schulsystem/umgang-mit-corona-schulen/fuer-schulleitungen/schreiben-schulleitungen/schreiben-fuer-berufliche-schulen

Man setzt diese Jugendlichen einfach vor die Tür, mit Abschluss- oder Abgangszeugnissen, deren Notenfindung nur die erbrachten Leistungen bis zum 16. März 2020 berücksichtigt. Wir werden sogenannte „Corona-Abschlüsse“ ausstellen:

  • Corona-Hauptschulabschluss für die Bildungsgänge zur Berufsvorbereitung
  • Corona-Mittlerer-Bildungsabschluss für die Berufsfachschule

Das Kultusministerium wirft also tausende 16 – 18 jährige Schüler*innen einfach auf die Straßen. Ohne Betreuung für den Übergang ins Berufsleben, ohne Möglichkeit der Verbesserung ihrer Noten, ohne Kontakt zur Arbeitsagentur und ohne Bewerbungstraining für den dringend benötigten Ausbildungsplatz im Handwerk, in der Pflege und anderen systemrelevanten Berufen.

Nicht nur die GEW-Wiesbaden-Rheingau ist entsetzt über diesen Rausschmiss, verzweifelte Eltern rufen die Klassenlehrer*innen an, Schüler*innen weinen am Telefon und die Kolleg*innen wissen nicht, was sie den Schüler*innen und Eltern antworten sollen, sind fassungslos. Viele Kolleg*innen machen daher einfach weiter mit digitaler Beschulung und akzeptieren diesen Rausschmiss einfach nicht. Sie arbeiten jetzt in der „Elitenbeschulung“ und parallel dazu im Homeschooling für ihre von Bildung abgehängten Schüler*innen.

Die GEW-Wiesbaden-Rheingau hält es für unzumutbar, wenn durch das Kultusministerium eine Wertigkeit von Abschlüssen festgeschrieben wird. Wir werden uns an keiner Diskussion beteiligen, welcher Bildungsabschluss wichtiger ist. Für die Schüler*innen, Eltern und Lehrer*innen ist jeder Abschluss gleich zu achten. Unserer Gesellschaft wird doch gerade jetzt in der Pandemie vor Augen geführt, wie wichtig bisher wenig geachtete Berufsgruppen sind.

Wer zahlt also nun den Preis? Wir hängen gerade einen Großteil unserer Gesellschaft ab und vergrößern somit die Kluft zwischen Arm und Reich. 

Dieses politische wie gesellschaftliche Armutszeugnis wird uns alle treffen.