Wohnsituation von Flüchtlingen in Wiesbaden

Offener Brief der GEW Wiesbaden-Rheingau an den Oberbürgermeister Gerich

7. Februar 2017

Sehr geehrter Oberbürgermeister Herr Gerich,

im Oktober letzten Jahres haben Vertreterinnen und Vertreter des GEW-Kreisverbandes Wiesbaden-Rheingau anlässlich des Gesprächs zwischen Ihnen und Vertretern des DGB Wiesbaden eine Anfrage bezüglich der Wohnsituation von minderjährigen Ausländerinnen und Ausländern (umA) gestellt.

Der Hintergrund dieser Anfrage war, dass bekannt geworden war, dass im Schuljahr 2015/16 zwei jugendliche Schüler zu ihrem achtzehnten Geburtstag das Antoniusheim verlassen mussten. Ihrem Asylantrag war stattgegeben worden, so dass sie kein Anrecht auf einen Platz in einer Gemeinschaftsunterkunft hatten und sie nur in einer Obdachlosenunterkunft unterkommen konnten. Durch großes Engagement der Sozialpädagoginnen und Lehrerinnen der Kerschensteinerschule konnte für einen der betroffenen Schüler eine positive Lösung gefunden werden. Der andere jugendliche Flüchtling ist seitdem untergetaucht.

In Ihrem Antwortschreiben – wie es uns auf der Grundlage eines Berichts von Bürgermeister Goßmann bekannt ist – formulierten Sie, dass „noch kein volljährig werdender ehemaliger umA in die Obdachlosigkeit oder in eine Obdachlosenunterkunft entlassen worden sei.“

Heute möchten wir erneut anfragen, da es zwei neue „Fälle“ gibt, die zu Sorgen Anlass geben und es werden immer wieder Jugendliche volljährig.

Im Januar 2017 wurde ein Schüler 18 Jahre alt und musste in eine Gemeinschaftsunterkunft ziehen. Der Schüler hat nach Auskunft der Klassenlehrerin sehr gute Chancen, die Schule im Sommer 2017 mit einem Hauptschulabschluss zu beenden. Verständlicherweise hat diese Maßnahme den Jugendlichen in Panik versetzt. Als er selbstständig eine Wohnung fand, wurde der Besichtigungstermin kurzfristig abgesagt, da die Finanzierungszusage zurückgenommen wurde. Auf Nachfrage erhielten wir die Information, dass der Sozialdienst Asyl intern beschlossen habe, WGs für zwei bis drei Jugendliche nicht mehr zu finanzieren. Mittlerweile wohnt er weiterhin in einer Gemeinschaftsunterkunft und muss sich ein Zimmer mit drei über 50jährigen Männern teilen.

Ein weiterer Fall betrifft einen Schüler, der am 1. Januar 2017 das achtzehnte Lebensjahr erreichte. Ihm wurde vor Weihnachten 2016 eröffnet, dass er in eine Gemeinschaftsunterkunft wechseln müsse. Die Folge dieser Ankündigung war ein Nervenzusammenbruch;  als dann der Umzugstermin vor der Tür stand, ist der Schüler weggelaufen. Mittlerweile ist der Jugendliche wieder zurück in der Schule und in eine Gemeinschaftsunterkunft gezogen. Da sich seine Angstzustände nicht besserten, wurde er in der Vitos-Klinik vorstellig.

Nicht nur für die betroffenen Schüler ist die Situation unerträglich, auch die Lehrerinnen und Lehrer werden hier sehr belastet.

Bei unserer Anfrage im Herbst fragten wir nach Handlungsmöglichkeiten seitens der Stadt. In Ihrem Antwortschreiben wurde kein Handlungsbedarf festgestellt. Die bislang übliche Vorgehensweise reiche aus.

In Ihrem Antwortschreiben erwähnten Sie Ausnahmefälle, bei denen, falls „besondere individuelle Gründe vorliegen, noch vorübergehend die Jugendhilfe als Hilfe für junge Volljährige“ fortgesetzt werden kann, d. h. mindestens für die Dauer des Schulbesuchs können die Schülerinnen und Schüler in ihrem gewohnten Umfeld verbleiben. Diesen Ausnahmefall sehen wir hier gegeben und fordern Sie hiermit auf, die städtische Verwaltung entsprechend anzuweisen.

Erfreut hat uns die Tatsache, dass sie einem Flüchtling einen Praktikumsplatz in Ihrem Büro zur Verfügung gestellt haben.

 

Mit der Hoffnung auf baldige Antwort

und freundlichen Grüßen

GEW KV Wiesbaden-Rheingau