Was lange währt, wird nicht immer gut

Wer als Lehrkraft nicht mit einem Wischmopp umgehen kann,...

Eine typische Situation in der Comeniusschule vor einigen Jahren: In einen der Pavillons – entstanden in den Sechzigern – regnet es schon seit geraumer Zeit hinein, sowohl durch die Decke als auch durch die Fenster, deren Rahmen schon seit langem angefault sind. Dies ist mein damaliger Klassenraum, Unterricht ist unmöglich, erst muss aufgewischt werden. Der Schulleiter besorgt mir eigenhändig einen Wischmopp. Irgendwann kommen ein Handwerker und ein Zuständiger der Stadt Wiesbaden. Ein kurzer, prüfender Blick zur Decke und zu den Fenstern, dann die lakonische Bemerkung: „Da mache mer nix mehr!“  
Ich bin verblüfft, immerhin möchte ich gerne in einer trockenen Klasse unterrichten, aber: Die Comeniusschule soll einen Neubau bekommen, da wird nichts mehr investiert, basta. 

Ich beschließe, in einen Klassenraum im Container umzuziehen, der zwar sehr viel kleiner, aber dafür trocken ist. Die Bedingungen im Container – einem guten Unterricht nicht unbedingt zuträglich – ertrage ich klaglos.
Seitdem sind 3 Jahre vergangen. Ich unterrichte immer noch im Container. Ein Neubau wurde geplant, ein aufwendiger und teurer Architektenwettbewerb durchgeführt. Schulleitung,  Kollegium und Schülerschaft beteiligten sich an den Planungen, viel Zeit und Energie wurde investiert. Mit der Gewissheit, bald in einem Neubau zu unterrichten, ertrug man auch die völlig unzumutbaren räumlichen, baulichen und hygienischen Bedingungen, die Tatsache, dass sieben Jahre lang an unserer Schule keine Reparaturen mehr gemacht wurden… 
Nach den Sommerferien 2009 sollten weitere Container aufgestellt, dann die Pavillons abgerissen werden. Der Neubau war also tatsächlich in greifbare Nähe gerückt. Dann kurz vor den Sommerferien die Hiobsbotschaft: Die Stadt Wiesbaden habe alle Bauvorhaben dieser Art gestoppt; Begründung: Die Steuereinnahmen brechen weg, es ist völlig unklar, ob und wenn ja, welche Bauvorhaben in welchem Umfang realisiert werden. Die Haushaltsberatungen im Herbst 2009 müssen abgewartet werden.  Kolleginnen und Kollegen reagieren schockiert, man will es eigentlich nicht glauben, in einem Gespräch bestätigt die Schuldezernentin Frau Scholz die Sachlage. Ein schwacher Trost, dass auch noch eine Vielzahl von anderen Schulen in Wiesbaden von dieser Situation betroffen sind und weiterhin in maroden und abbruchreifen Gebäuden unterrichtet werden muss … einmal mehr wird deutlich, wie unverantwortlich es war, in Schulgebäude jahrzehntelang nicht mehr zu investieren. Dieses Versäumnis haben alle Stadtregierungen der letzten Legislaturperioden zu verantworten.
Die Comeniusschule ist eine Förderschule für Lernhilfe. Hier werden 230 Schülerinnen und Schüler mit Problemen im Bereich „Lernen“ unterrichtet, die aus sehr unterschiedlichen Gründen nicht mehr in der Lage waren, am Unterricht einer Regelschule teilzunehmen. Gerade diese Schülerschaft, die keinerlei Lobby in der Öffentlichkeit hat und die oft genug in schwierigsten familiären Bedingungen lebt, braucht ein Umfeld, das freundlich und  menschenwürdig ist. Unsere Kinder und Jugendlichen brauchen Räume, die nicht gesundheitsgefährdend sind und in denen sie so gefördert werden können, wie es in vielen Schulen selbstverständlich ist. Auch Lehrkräfte brauchen Bedingungen, unter denen sie sinnvoll unterrichten können.   Nun ist auch dies vermutlich wieder in weite Ferne gerückt – ein Armutszeugnis für die (reiche) Landeshauptstadt Wiesbaden.


Anmerkung: Die finanzielle Unterstützung der EBS wurde meines Wissens öffentlich in den letzten Wochen kein einziges Mal in Frage gestellt.
(Katja Plazikowsky)