Vom IQ lernen heißt siegen lernen!

Wer evaluiert eigentlich das IQ?

Die von der Frankfurter Rundschau vorab veröffentlichten Auszüge aus dem Bericht des Instituts für Qualitätsentwicklung (IQ) über die Ergebnisse der Schulinspektionen in den Schuljahren 2006/07 und 2007/08 haben mich wie viele Kolleginnen und Kollegen empört. Die Verärgerung über das IQ, das es sich herausnimmt, Schulen in „effektive“, „aufbrechende“ und „beharrende“ einzuteilen, führte mich zu der Frage: Wer evaluiert eigentlich das IQ?

Nach eben jenem inzwischen vom IQ auch veröffentlichten Bericht waren 79,1% der Lehrkräfte nach Mitteilung der Schulleitungen (!) mehr oder weniger zufrieden. Da gab es mir doch zu denken, dass zwar an meiner Schule eine Schulinspektion stattgefunden hat, ich aber nie danach gefragt wurde, wie hoch meine Akzeptanz dieses Kontrollinstruments sei. Welchen Wahrheitsgehalt haben also solche Daten? Die drei promovierten Psychologinnen, die diesen Bericht abgefasst haben, sollten aufpassen, dass sie nicht auf der Schleimspur der Schulleiterantworten ausrutschen!

Eine Antwort auf meine Frage, wer eigentlich das IQ evaluiert, fand ich in dem Bericht nicht. Dafür fand ich im Internet den „Referenzrahmen Institutsqualität“ (RRIQ), den sich das IQ selbst geschrieben hat und der in seiner Gliederung angelehnt ist an den aus den Inspektionen bekannten „Referenzrahmen Schulqualität“. In sieben Qualitätsbereichen wird das IQ vermessen, die ihrerseits wieder in Qualitätsdimensionen, Qualitätskriterien und Indikatoren unterteilt sind. Na, da wächst doch die Spannung!

Mit diesem „Referenzrahmen“ ist es so ähnlich wie mit den Abgeordneten-Diäten: Wohl dem, der sein Gehalt selber festlegen kann. Und deshalb auch: Wohl dem, der sich seine Qualitätskriterien selber definieren kann. Aber schauen wir uns die Qualitätskriterien näher an:

Der „Referenzrahmen Institutsqualität“

Aus mehreren „Qualitätskriterien“ lässt sich erahnen, dass das IQ nach wie vor unzufrieden mit seinem Status innerhalb der hessischen Bildungslandschaft ist. Warum sonst sollte man „widerspruchsfreie und funktionale rechtliche Vorgaben“, „klare Arbeitsbeziehungen und Auftragslagen“ gegenüber dem Hessischen Kultusministerium (HKM) und eine klare Definition der „Stellung des IQ in den Prozessketten des Bildungsmanagements“ einfordern? Im Kriterium II.3.1. fordert das IQ die Zuständigkeit für „übergreifende Entwicklungsziele des Bildungswesens“ – was mir besonders deshalb pikant erscheint, weil es sich einer demokratischen Kontrolle zum Beispiel durch Personalräte der Lehrkräfte vollkommen entzieht. 

Es zeugt von einem gewissen Selbstbewusstsein, insbesondere einem Bewusstsein dessen, wie wichtig und wertvoll die eigene Arbeit ist, wenn die „Funktionalität der Stellenstruktur“ zum Qualitätskriterium erhoben und gefordert wird, dass auch der Entwicklungsbedarf bei der Stellenstruktur zu beschreiben ist (Kriterien I.3.1. und III.1.1.) Das möchte man doch den Kolleginnen und Kollegen ins Stammbuch schreiben, die bei der jüngsten Tarifauseinandersetzung für Bescheidenheit angesichts des gesamtgesellschaftlichen Umfelds plädierten. Gute Arbeit kostet eben gutes Geld – da kann man doch vom IQ noch etwas lernen! Auf jeden Fall findet man im „Referenzrahmen Schulqualität“ nichts Vergleichbares.

Und so unbescheiden geht es weiter: Fortbildungen werden „angeboten und kommuniziert“, die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen soll durch die Führungsebene „unterstützt“ werden (Kriterien III.1.4 und IV.1.2.). Kein Gedanke an Fortbildung außerhalb der Arbeitszeiten oder auf eigene Kosten!

Auch aus dem Desaster um „Unterrichtsgarantie plus“ und „Einsatz von Quereinsteigern im rechtsfreien Raum“ hat das IQ für sich selbst zumindest Konsequenzen gezogen, denn unabdingbarer Qualitätsstandard ist „fachlich geeignetes Personal“, das den „Qualifikationsanforderungen (...) nachweislich“ entspricht (VI.2.2.).

Das IQ sorgt für seine Mitarbeiter

Allen Leserinnen und Lesern ist bewusst, wie sich die Arbeitsbedingungen an den Schulen in den letzten Jahren verschlechtert haben: Arbeitszeitverlängerung durch die von Koch oktroyierte 42-Stunden-Woche, Arbeitsverdichtung durch die Zunahme von Verwaltungsaufgaben, aber auch durch große Klassen und eine vielfach schwieriger werdende Schülerschaft, vernachlässigte Schulgebäude, nicht vorhandene räumliche Gestaltungsmöglichkeiten geschweige denn eingerichtete Arbeitsplätze für Lehrkräfte bestimmen unseren Alltag. Wenn anlässlich der Schulinspektion die Rede auf die Arbeitsbedingungen kommt, lehnen die Inspektorinnen und Inspektoren eine Diskussion über dieses Thema regelmäßig ab: darauf habe man ja ohnehin keinen Einfluss, heißt es. Dass es aber einen Zusammenhang zwischen Arbeitsqualität und Arbeitsbedingungen gibt, das scheinen sie denn doch begriffen zu haben. Denn in ihrem Referenzrahmen finden sich die entsprechenden Aussagen mannigfaltig. 

Leitungsentscheidungen sollen im Hinblick auf „Zeit, Umfang, Qualitätsprofil“ so getroffen werden, „dass die MitarbeiterInnen in der Lage sind, die gestellten Aufgaben erfolgreich umzusetzen“ (Kriterium III.2.2). „Aufgabenumfang und Ressourcen“ sollen in einem angemessenen Verhältnis stehen, gegebenenfalls sind Korrekturen in Bezug auf den zeitlichen Umfang und die Ressourcen“ erforderlich (Kriterium III.2.3.) „Neue oder zusätzliche Leistungen“ werden nur dann übernommen, wenn sie „auf einer nachvollziehbaren Kalkulation von Ressourcenpotenzial und –bedarf“ beruhen (Kriterium VI.1.4.). Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fachabteilungen werden „zugunsten ihrer fachlichen Aufgaben von internen Verwaltungs- und Organisationsaufgaben soweit wie möglich entlastet“ (Kriterium VI.1.5.) und „sehen sich in ihren Aufgaben weder unter- noch überfordert“ (Kriterium VI.1.3). Kein Wunder, dass bei einer solchen Fürsorge noch Zeit für „einen systematisch stattfindenden Austausch innerhalb und zwischen den einzelnen Gruppen“ bleibt (Kriterium IV.2.1). 

Dass auch räumliche Umgebung und Ausstattung der Arbeitsplätze zum Gelingen der Arbeit beitragen, haben die Väter und Mütter des Referenzrahmens bedacht. Räumlichkeiten und Büroausstattung sollen „funktional“ sein (Kriterium I.3.3.), so dass sich die Beschäftigten des IQ „zufrieden über ihre Arbeitsplätze“ und über den „technischen Support“ äußern (Kriterien I.3.3. und IV.3.1.). Klar, dass zur Qualität einer solchen Arbeitsumgebung auch der Schutz der Gesundheit gehört: „Die MitarbeiterInnen erkennen berufsbedingte physische und psychische Belastungen und treffen, gegebenenfalls mit Unterstützung der Leitungsebenen, Maßnahmen zum Abbau von Belastungen. Das Institut bietet präventive Maßnahmen zur Vermeidung physischer Belastungen an. Im Falle berufsbedingter psychischer und physischer Belastungen bietet das Institut Möglichkeiten zu deren Abbau an.“ (Kriterium IV.3.2.)

Das IQ ist offen für Kritik 

Nach so viel Selbstbespiegelung und Bauchnabelschau fragt sich die geneigte Leserin, die sich durch 30 Seiten hindurch gearbeitet hat, ob denn beim Raumschiff IQ wohl auch der eine oder andere Kommentar aus der Außenwelt gehört wird. Und siehe da: Im Referenzbereich V (Institutskultur) findet sich in der Dimension 3 (Kooperation und Kommunikation nach außen) tatsächlich das Kriterium V.3.2.: „Das IQ nimmt auch kritische Haltungen der Schulen oder anderer Einrichtungen zum Arbeitsansatz des IQ ernst und setzt sich mit ihnen auseinander.“ Und dazu der Indikator: „Die MitarbeiterInnen zeigen sich aufgeschlossen gegenüber konstruktiver Kritik und Verbesserungsvorschlägen.“

Na, da kann ich doch nur sagen: Nur zu! Kritisieren wir das IQ! 

  • Kritisieren wir die Vermessenheit, zu glauben, dass man in 20 Minuten Unterricht nach 44 (!!) Kriterien beurteilen könne. Von „Wertschätzung“ ist oft die Rede, doch tatsächlich empfinden viele Kolleginnen und Kollegen, zwanzigminütige Stippvisiten als demütigend. 
  • Kritisieren wir die tendenziösen Fragestellungen in den Fragebögen, die Schülerinnen und Schülern, Lehrkräften und Eltern ausgehändigt werden. 
  • Kritisieren wir die Selbstgerechtigkeit des IQ und die Beurteilung von Schulen nach Schema F, ohne Berücksichtigung der Schulform und der besonderen Bedingungen.
  • Kritisieren wir, dass das Schulprogramm von den in der Schulinspektion angelegten Maßstäben an „gute Schule“ durchaus abweichen kann, dies die Inspektoren aber kaum interessiert. 
  • Kritisieren wir, dass die Arbeitsbedingungen bei der Inspektion vernachlässigt werden, ja, eine Diskussion darüber von den Inspektoren abgelehnt wird, obwohl sie Bestandteil des „Referenzrahmens Schulqualität“ sind. 
  • Kritisieren wir, dass sich das IQ zu einem teuren Wasserkopf mit derzeit 143 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entwickelt hat, der überflüssig wie ein Kropf ist, weil er Dinge zutage fördert, die ohnehin die meisten schon wussten. 
  • Kritisieren wir, dass das IQ gebetsmühlenartig das Märchen weiter verbreitet, dass eine „selbstständige Schule“ die Lösung aller Probleme sei, obwohl es eigentlich seine Aufgabe wäre, wissenschaftlich zu untersuchen, ob das überhaupt stimmt. 
  • Und kritisieren wir, dass das IQ sich einer demokratischen Kontrolle durch den Hauptpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer bisher weitgehend entzogen hat.

Was wir vom IQ lernen können

Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des IQ, die diesen Referenzrahmen aufgestellt haben, haben es begriffen: Ohne gute Arbeitsbedingungen kann für gute Qualität keine Garantie übernommen werden. Deshalb haben sie wenigstens für sich selbst den Rahmen benannt, innerhalb dessen sie arbeiten wollen. Sie versuchen zwar, die Schulen in ein anderes Korsett zu zwängen. Aber das müssen wir ja nicht mittragen! Schreiben wir uns doch einen eigenen Referenzrahmen. Einen, der sich wenigstens stellenweise an dem des IQ orientiert. Das kann ja nicht falsch sein!

Marianne Friemelt

Den Referenzrahmen Institutsqualität findet man auf der Homepage des IQ: http://www.iq.hessen.de unter dem Suchbegriff „Institutsqualität“.