Und weiter wird an den Kindern gespart …

Im Schulbudgetdebakel geht die Zukunft der Jugendverkehrsschule (JVS) unter

Mit ihren stolzen 40 Jahren könnte sich die Jugendverkehrsschule in Wiesbaden nicht nur als Rarität in den hessischen Kommunen bezeichnen, sondern auch als lebendiger Baustein Wiesbadener Stadtgeschichte. Welcher Wiesbadener hat keine Erinnerungen an seine eigene Verkehrserziehung zum Fußgänger oder Radfahrer mit den extra dafür ausgebildeten Polizisten? Offenbar muss Stadtgeschichte aber – zumindest wenn es nach der Koalition der Stadtverordnetenversammlung geht – nicht lebendig gehalten werden, sondern eher in einem architektonisch sehr fragwürdigen, kostenspieligen Neubau als Stadtmuseum neu konstruiert werden. Drei bis vier Millionen Euro für den Neubau der JVS am Moltkering sind, laut Schuldezernentin Scholz (WK, 20.10.09), aber im Haushalt 2010/11 nicht aufzubringen. Randnotiz: 2009 waren übrigens schon einmal 1,2 Millionen Euro für den Neubau in den Haushalt eingestellt. Was wurde denn mit dem Geld tatsächlich getan? Und: Warum wurde überhaupt Geld für einen Neubau bereitgestellt, wenn die Schulhofvariante der Verkehrserziehung nach dem „Mainzer Modell“ auf einmal gleichwertig ist?

Da beruhigt es doch gewaltig, dass sich die Stadt nun doch einen Ruck gegeben hat und ca. sechs Millionen Euro springen lässt – allerdings für den Erwerb des Köllmann-Baus, um ihn an die private EBS als Übergangsquartier (!) vermieten zu können. So viel Fürsorge und Weitsicht von der Stadt wünscht sich der Wiesbadener Steuerzahler sicher nicht nur für eine private Hochschule, sondern auch für die Verkehrssicherheit unserer lobbylosen Kinder!

Anstatt Investitionen in Prestigeobjekte zu unterlassen, ergreift OB Müller auf einmal wieder Partei für die maroden Wiesbadener Schulen und gibt ihnen die klare Priorität vor der Jugendverkehrsschule. Weitere Randnotiz: Wenn man sich den Stellenwert betrachtet, den die Gesamtheit der Schulsanierungen im aktuellen Haushalt hat, ist es wohl allzu realistisch davon auszugehen, nie wieder eine Jugendverkehrsschule in Wiesbaden zu haben, die doch immer von so immenser Wichtigkeit war.

Abgesehen vom Finanzierungsmonopoly unserer Politiker gibt es einfach viele Gründe, die für einen Erhalt der Jugendverkehrsschule sprechen:

Ein Schulhof-/Realraummodell ist für einzelne Schulen mit guter Verkehrslage attraktiv, aber keinesfalls für alle Wiesbadener Schulen (z.B. im Umfeld der Riederbergschule: lauter Einbahnstraßen, abschüssiges Gelände).
D.h. die Kinder dieser Schulen müssen, wie bisher auch, einen Weg zurücklegen, bis sie den ihnen zugeteilten Schulhof erreichen. Und da liegt die JVS am Platz der Deutschen Einheit zentraler als die in Betracht gezogene Ludwig-Beck-Schule und die Bodelschwinghschule am Gräselberg sowie die Karl-Gärtner-Schule in Delkenheim oder die Fläche hinter der Taunushalle in Nordenstadt.

Zudem müssen nicht nur die Kinder, sondern auch die Polizeibeamten an- und abreisen und darüber hinaus noch Zeit für den Auf- und Abbau zur Verfügung stellen. Hieraus resultiert ein höherer Personalbedarf bzw. weniger Lernzeit für die Kinder. Witterungsbedingt kann es zu mehr Ausfällen kommen, weil der überdachte Teil der JVS nicht mehr genutzt werden kann. Schulen haben ständig Raumnot. Jetzt auch noch Platz für Fahrräder und Unterstände bereitstellen? Oder mit einem Anhänger die Räder bei Bedarf immer von A nach B transportieren? So wird eine unnötig frühe Abnutzung der Räder bestimmt nicht vermieden.

Bei fast 40 Grund- und ca. 10 Förderschulen in Wiesbaden sind drei Gelände, die letztendlich in Betrieb genommen werden sollen, doch recht wenig. Kinder in den Klassenräumen sind leichter ablenkbar (ständige Bewegungen und erhöhter Geräuschpegel auf dem Schulhof).
Der Pausenhof ist ständig durch mehrere Schulen belegt. Wann sollen zu Sommerzeiten dann noch Bewegungsstunden für die Schüler der Stammschule draußen stattfinden? Man denke hierbei auch an die Vertretung, die im Rahmen der „Verlässlichen Schule“ läuft. Wer im Schuldienst tätig ist, weiß, dass diese Vertretungsstunden oft zu Bewegungsstunden auf dem Hof genutzt werden. Für Kinder hat "der andere Ort" in der JVS noch erhebliche Bedeutung. Verkehrserziehung hebt sich dadurch als besondere Veranstaltung vom regulären Schulunterricht ab.
 

Die GEW fordert daher:
Gute Verkehrserziehung darf kein Luxusgut sein! Sie kommt allen VerkehrsteilnehmerInnen zu Gute und verschwendet somit keine Steuermittel. Wir sind für eine Wiesbadener Jugendverkehrsschule – wenn nicht am Platz der Deutschen Einheit, dann muss „alternativlos“ einen anderen Ort zur Verfügung gestellt werden!