Schaffung angemessener Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten in den Schulen

Beendigung der Abwertung des Berufs der Lehrerin, des Lehrers

Brief des GEW-Landesvorsitzenden, Jochen Nagel, an den Kultusminister zum Thema Bildungsgipfel

An den Hessischen Kultusminister, Herrn Prof. Dr. R Alexander Lorz, Hessisches Kultusministerium, Luisenplatz 10, 65185 Wiesbaden

Donnerstag, 26. Juni 2014

Sehr geehrter Herr Kultusminister Prof. Dr. Lorz,

vielen Dank für Ihr Schreiben vom 19. Mai d. j., in dem Sie u.a. als eine Begründung für die Einrichtung eines "Bildungsgipfels" ausführen, dass Schulen für ihre Arbeit vor allem langfristige Verlässlichkeit wünschen und benötigen.

Die GEW Hessen weist in diesem Zusammenhang ganz ausdrücklich darauf hin, dass die Schulen für ihre tägliche Arbeit - Schülerinnen und Schüler optimal zu fördern - in erster Linie angemessene Arbeitsbedingungen für die Schülerinnen und Schüler ebenso wie für alle in Schulen Beschäftigten benötigen. Die bereits von der Regierung unter Ministerpräsident Koch vorgenommene Abwertung des Berufs der Lehrerin, des Lehrers, die nach den Aussagen des Koalitionsvertrags in den kommenden drei Jahren jetzt sogar noch weiter vorangetrieben werden soll, steht diesem grundlegenden Erfordernis für gute Arbeit diametral entgegen.

Selbstverständlich benötigen Schulen auch Planungssicherheit. Dass diese gerade in den vergangenen Jahren kaum gegeben war, lag im Wesentlichen daran, dass die jeweilige Landesregierung nicht bereit war, auf den Rat von Expertinnen und Experten zu hören und sich stattdessen mit ihrer parlamentarischen Mehrheit immer wieder darüber hinweg gesetzt hat.

Ich erinnere in diesem Zusammenhang beispielhaft an die sogenannte ,Unterrichts garantie plus', die Implementierung von G8 oder an das Landesschulamt. Die GEW Hessen hat diese Vorhaben jeweils gemeinsam mit vielen anderen entschieden abgelehnt. Dennoch wurden die Schulen bzw. die Schulverwaltung angewiesen, die Pläne so lange umzusetzen, bis sie aufgrund des öffentlichen Drucks von der Landesregierung und dem Landtag wieder zurückgenommen werden mussten.

Wenn als Konsequenz daraus die neue Landtagsmehrheit inzwischen - wie bei G8/G9 beschlossen - nach dem Motto handelt: Dann übernehmen wir keine Verantwortung mehr, dies sollen jetzt Schulen und Eltern für uns machen, hat auch dies aus unserer Sicht mit Verlässlichkeit nichts zu tun.

Weiterhin entnehmen wir Ihrem Schreiben, dass Sie und der Staatssekretär in den nächsten Wochen weiter Gespräche zu einem diesbezüglichen Austausch nutzen wollen. Bei der GEW-Hessen, als größter unmittelbar im hessischen Bildungsbereich tätigen Organisation, ist davon bisher aber auch gar nichts angekommen.

Seit dem 13. Februar warten wir auf ein Gespräch mit Ihnen. Vereinbarte Termine (30. April und 6. Juni 2014) wurden jeweils kurzfristig abgesagt. Und nur weil wir den vorgeschlagenen Ersatztermin (17. Juni) von unserer Seite aus nicht wahrnehmen konnten, werden neue Terminangebote auf den Sankt-Nimmerleinstag verschoben. Ganz zu schweigen davon, dass nach der ersten Absage ein Zusatztermin mit dem Staatssekretär zugesichert wurde, auf dessen zugesagten Rückruf mit konkreten Terminvorschlägen wir bis heute warten.

Wenn Sie als Kultusminister oder auch Ihr Staatssekretär Termine mit uns immer wieder verschieben oder gar nicht wahrnehmen wollen oder erst mehr als fünf Monate nach der ersten Anfrage in Aussicht stellen, kann von wirklicher Gesprächsbereitschaft nicht gesprochen werden.

Deshalb wenden uns mit aller Entschiedenheit dagegen, wenn in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt werden soll, unter Beteiligung aller "zum Wohle der Kinder" zu handeln.

Im Sinne konkreter Ergebnisse für die Schulen schlägt die GEW Hessen für den Bildungsgipfel folgende inhaltlichen Schwerpunkte vor:

  • Schaffung angemessener Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten in den Schulen und Beendigung der Abwertung des Berufs der Lehrerin, des Lehrers
  • Entwicklung einer landesweiten Schulstruktur, bei der nicht die soziale Herkunft der Kinder für den Bildungsabschluss entscheidend ist
  • Ausbau und Entwicklung echter (gebundener) Ganztagsschulen, die professionellen pädagogischen Standards entsprechen, statt weiterer Experimente am Kind durch ESB oder "ehrenamtliche" Nachmittagsangebote an Schulen
  • Konkrete Planungen für die Umsetzung der UN Behindertenrechtskonvention in den Schulen
  • Strukturierung der Übergänge zwischen den verschiedenen Bildungseinrichtungen
  • Erweiterung des Rechts auf Schulbesuch für 16- bis 21-jährige zugewanderte junge Menschen
  • Demokratische Beteiligungsrechte in den Schulen

Mit freundlichen Grüßen