Praxissemester und keine Anrechnungsstunden für MentorInnen

Die Landesregierung hat einen Gesetzesentwurf zur probeweisen Einführung eines Praxissemesters in den Landtag eingebracht.

GEW Fachtagung: "Lehrerinnen- und Lehrerbildung unter Veränderungsdruck“
Modelle und Erfahrungen, Mittwoch 27. Februar 2013, 9:30 bis 17:15 Uhr DGB-Haus Frankfurt Wilhelm-Leuschner Str. 69-77

Nachdem das Hessische Lehrerbildungsgesetz novelliert worden war, hofften alle an Ausbildung Beteiligten auf Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Der Hauptpersonalrat der Lehrerinnen und Lehrer hatte den Prozess der Novellierung konstruktiv-kritisch begleitet und in seiner überwiegend positiven Stellungnahme aber gefordert, dass die Mittel, die durch die Verkürzung des Referendariats um drei Monate gespart würden, in der Ausbildung verbleiben und u.a. zur Entlastung der Mentorinnen und Mentoren verwendet werden sollten. 

Dies ist jedoch nicht geschehen; im Gegenteil:

  • Die Entlastung der Mentorinnen und Mentoren wurde nicht realisiert.
  • Die LiV werden den Ausbildungsschulen statt mit 6,4 Stunden mit 8 Stunden angerechnet.

Aus der geplanten und erhofften Verbesserung der Ausbildungssituation durch die Novellierung von HLBG und Verordnung wurde eine drastische Verschlechterung. 

Beim Einstellungsverfahren in den Vorbereitungsdienst zum 1.11. 2012 wurde nach Berichten aus verschiedenen Studienseminaren deutlich, dass die Befürchtung, die Ausbildungsbereitschaft der Schulen könnte sinken, Wirklichkeit geworden ist. 

Immer mehr Schulen wollen keine oder weniger LiV ausbilden, denn für die Schulen  hat die Erhöhung des Anrechnungsfaktors völlig unakzeptable Folgen:

  • Die Versorgung der Schulen wird rein rechnerisch verbessert, ohne dass die reale Zuweisung sich um eine müde Stunde erhöht. Einige Schulen sind durch die neue Anrechnung plötzlich überbesetzt, besonders wenn noch zurückgehende Schülerzahlen hinzukommen. Dies führt zu notwendigen Abordnungen oder Versetzungen, was das Engagement für die Ausbildung nicht gerade verbessert.
  • Große Schulen, die bspw. 15 LiV ausbilden, haben rein rechnerisch nun plötzlich etwa eine Stelle mehr durch den Unterricht der LiV. Auf dem Papier erhielten die Schulen eine Zuweisung von 101 Prozent, in der Realität haben sie dann durch die neue Anrechnung gar nicht mehr Stunden zur Abdeckung des Unterrichts zur Verfügung als im Schuljahr zuvor. 
  • In der Praxis können die LiV aus verschiedenen Gründen oft gar nicht mit voller Stundenzahl eigenverantwortlich in ihren beiden Fächern eingesetzt werden. So führt die Anrechnung von 8,0 an den Schulen dazu, dass es keinerlei Spielräume mehr gibt, die LiV „ausbildungsgerecht“ einzusetzen.  Die Durchführung der vom Lehrerbildungsgesetz ermöglichten „Doppelsteckungen“ von LiV und Mentor/in, d .h. ihr gemeinsamer Einsatz in einer Lerngruppe, wird erschwert, wenn nicht sogar unmöglich gemacht. Eine der Ausbildungsqualität äußerst förderliche Lernsituation wird wohl nur noch selten realisiert werden können.
  • Kleine Schulen, in der Regel Grundschulen, kommen durch die erhöhte Anrechnung ebenfalls in eine Bredouille. Hier gab es oft die Notwendigkeit von Doppelsteckungen, weil die LiV z.B. im letzten Prüfungssemester nicht mehr vollständig eigenverantwortlich eingesetzt werden konnten. Schülerinnen und Schüler der Grundschulen müsste sonst ein ständiger Lehrerwechsel zugemutet werden, was in manchen Schulformen eben schwieriger zu verkraften ist. In den kleinen Grundschulen entsteht auch das Problem, dass durch die erhöhte Anrechnung der LiV die Stellen- /Stundenzahl der festen Lehrkräfte sinkt, so dass LiV bspw. auch als Klassenlehrer/-in eingesetzt werden müssten. Die Folgen für die Ausbildung sind wiederum sehr problematisch und die Ausbildungsbereitschaft dieser Schulen sinkt ebenfalls.
  • Insgesamt verringern sich durch diese erhöhte Anrechnung die Einstellungschancen der Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst, die sich nach bestandener Prüfung auf eine Stelle bewerben wollen. In einigen Lehrämtern – besonders im Grundschulbereich –verschlechtern sich die Einstellungschancen weiter. Da die Einstellungssituation in den nächsten Jahren für die LiV mit Gymnasiallehramt aufgrund des Wegfalls eines Schülerjahrgangs sowieso schwieriger werden wird, ist eine weitere Reduzierung der Stellen durch die geplante erhöhte Anrechnung  katastrophal.
  • Mentorinnen und Mentoren werden wieder stärker in die Ausbildung einbezogen; sie werden dem Schulleiter/ der Schulleiterin Informationen über die Lernentwicklung der LiV geben, die ins Schulgutachten einfließen. Sie werden als 5. Prüfungsmitglied an Staatsexamina teilnehmen. So sinnvoll die Einbindung der MentorInnen in Ausbildung und Examen ist, so widerspricht dem die Tatsache, dass es trotz gestiegener Anforderungen keine Entlastungsstunden gibt. Durch die Erhöhung des Anrechnungsfaktors bleibt den Schulen auch keinerlei Möglichkeit mehr, einzelne Mentoren doch zu entlasten. 
  • Diese Situation wird dazu führen, dass es immer schwieriger werden wird, überhaupt MentorInnen für die Betreuung/ Begleitung der LiV zu finden.

Um die Qualität der Ausbildung zu erhalten und allen an Ausbildung Beteiligten erträgliche Arbeitsbedingungen zu gewährleisten sowie den Schulen gute Möglichkeiten für die Ausbildung  zu ermöglichen, fordern wir daher

  • Anrechnungsstunden für Mentor/innen
  • Rücknahme der Erhöhung des Anrechnungsfaktors pro LiV an den Schulen 

Insgesamt eine Zuweisung von Ressourcen für Ausbildung, die sich an den real zu erbringenden Ausbildungsleistungen und dem Ziel einer  guten Ausbildung zukünftiger Lehrerinnen und Lehrer orientiert.