PPP – eine fatale Variante der Privatisierung

Das Pro und Kontra einer fatalen Variante des Ausverkaufs öffentlichen Eigentums, PPP

Der Kreisverband der GEW lud am 09. Dez. 2008 um 19.30 Uhr in die IGS Kastellstraße ein, um das Pro und Kontra einer fatalen Variante des Ausverkaufs öffentlichen Eigentums, PPP (Public Private Partnership), zu diskutieren.

Moderiert wurde die Veranstaltung von Doro Stöver und Hajo Barth vom KV Wiesbaden, auf dem Podium diskutierten der Publizist und Lehrbeauftragte an der Universität Köln, Dr. Phil.Werner Rügemer, der Fraktionsvorsitzende der Linken Liste Wiesbaden, Hartmut Bohrer und Kai-Christofer Burghard, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der SPD in Wiesbaden.

In seinem Eingangsreferat erklärte Werner Rügemer deutlich, wie PPP funktioniert. Die Investoren bauen und sanieren Gebäude, finanzieren und planen diese Vorhaben. Die Auftraggeber (Kommunen, Land, Bund) zahlen an die Investoren bis zu 30 Jahre lang hohe Mieten, was angesichts der durchschnittlichen Lebensdauer öffentlicher Gebäude absurd ist. Dieses Modell des Verkaufs öffentlichen Eigentums an private Investoren gibt es seit etwa 2004. „Erfunden“ wurde dieses Modell von den Banken als „Strukturiertes Finanzprodukt“. Nach dem PPP-Beschleunigungsgesetz, das die rot-grüne Regierung 2005 durchsetzte, sind die auf eine möglichst hohe Rendite spekulierenden Investoren beispielsweise von der Grunderwerbssteuer befreit, wenn sie Schulen oder Rathäuser errichten - sie müssen auch nicht nachweisen, ob sie über genügend Eigenkapital verfügen.

Das Erschreckende an diesem Modell – auch von allen Beteiligten gern verschwiegen - ist:

  1. Die Verträge sind geheim, nur der Kämmerer und die Investoren kennen die Verträge. Den Bürgermeister, Schatzmeister und Landrätinnen ist eine Veröffentlichung der PPP-Verträge untersagt. Damit werden Grundprinzipien der Demokratie außer Kraft gesetzt. Die jeweiligen Organe (z.B. Stadtverordnete) stimmen sozusagen blind zu.
  2. Vertragsunstimmigkeiten werden ausschließlich vor internen Schiedskommissionen und nicht vor öffentlichen Gerichten verhandelt. Den Stadt- und GemeinderätInnen stehen Kapitalgesellschaften gegenüber, die sich von international tätigen Anwaltskanzleien und großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften beraten lassen.
  3. Die Beraterkosten, um die Verträge zu erstellen, sind dadurch enorm hoch, diese Kosten tauchen wiederum in den Verträgen nicht auf und die Politiker entlasten sich, indem sie den Beratern die Vertragsverhandlungen überlassen.
  4. Die PPP-Projekte sind von der Grunderwerbssteuer befreit. Herr Rügemer zeigte dieses an Beispielen aus der Region (Frankfurt, Offenbach) auf. In Offenbach zum Beispiel betreibt ein privates Konsortium neunzig Schulen. Vor der Privatisierung gab der Landkreis jährlich rund dreißig Millionen Euro pro Jahr für diese Schulen aus, mittlerweile zahlt er fast das Doppelte. Laut PPP-Vertrag darf er "keine Einrede bei Mängeln üben" und muss in jedem Fall die Miete bezahlen - auch wenn es mal durch ein kostengünstig-schludrig errichtetes Schuldach regnen sollte.

Inzwischen hat der Landesrechnungshof die Kritik Rügemers (am Anfang sieht es für den Auftraggeber günstiger aus, am Ende zahlt er das Doppelte) an diesem Modell bestätigt.

Hartmut Bohrer stellte klar heraus, dass gegen jegliche PPP-Vorhaben in Wiesbaden Widerstand zu leisten sei und zeigte anhand von Beispielen auf, welche Schulen bereits für PPP-Vorhaben angedacht waren. Außerdem benannte er den Sanierungsbedarf für Turnhallendächer, PCB belastete Klassenräume und sofort notwendige Reparaturmaßnahmen (an 9 Schulen). Allein an 4 Schulen in Wiesbaden besteht ein Sanierungsbedarf von ca. 20 Millionen Euro. Am Beispiel der vor einem Jahr in Eigenbetrieb ("mattiaqua") übernommenen Bäder- und Freizeitbetriebe zeigte Bohrer, dass es nach dem neuen Modell keine Einsparungen gab.

Kai-Christofer Burghard kritisierte besonders deutlich die Geheimhaltung der Verträge bezüglich des Verwaltungs- und Justizgebäudes („Anschlag auf die kommunale Selbstverwaltung“) und berichtete vom Vorhaben auf dem Patz der deutschen Einheit eine Sporthalle zu errichten; nachdem alle Pläne vorliegen, wird jetzt ein Investor gesucht, was wiederum lange Zeit (bis zu 4 Jahren) dauert, so dass der Volleyballverein sich inzwischen nach anderen Möglichkeiten umsieht.

Zu heftigen Diskussionen kam es dann beim Thema „Kindertagesstätten“ in Wiesbaden. Kai-Christofer Burghard sagte, dass die SPD es nie gutgeheißen habe, die Kitas in eine Stiftung zu überführen, die Kitas sollen beim Amt für Soziales bleiben. Dieser Aussage widersprach Hartmut Bohrer. Es bestehe eine Vereinbarung zwischen CDU/FDP/GRÜNEN und der SPD, in der sich diese Parteien verpflichtet haben, die Kitas auszugliedern und in eine Stiftung zu überführen, im Eigenbetrieb zu führen oder ein eigenes Amt zu schaffen. Inzwischen liegt diese Vereinbarung auch dem KV Wiesbaden zur Kenntnis vor, die wir hier abdrucken:

"Verabredung Jamaika/SPD bezüglich der zukünftigen Beteiligung der SPD am hauptamtlichen Magistrat haben Gespräche zwischen den Koalitionspartnern von CDU, Bündnis90/Die Grünen und FDP mit der SPD mit folgenden Ergebnissen stattgefunden. ...

3. Kinderbetreuung SGB VIII, § 22 ff

Als organisatorische Alternativen werden folgende Organisationsformen betrachtet:

  1. Eine Stiftung, gesteuert über einen Stiftungsrat; die Stiftung wird von Seiten der Stadt mit den notwendigen Mitteln ausgestattet werden;
  2. zusätzlich geprüft wird der Eigenbetrieb als Alternative; 
  3. ein eigenes Amt; unabhängig von der Organisationsform verbleibt die Aufgabe der Kinderbetreuung in kommunaler Verantwortung.

Die auszugliedernden Einheiten erbringen Leistungen wie ansonsten Freie Träger, privatwirtschaftliche Träger oder Elterninitiativen. Die Bestellung der Leistung erfolgt nach wie vor durch Amt 51. In der Ausgestaltung dieser Organisation soll sich einerseits die eindeutige programmatische Zuständigkeit des Sozialdezernates als Jugendhilfeträger ausdrücken, andererseits muss sie die wachsende Bedeutung der Schulkinderbetreuung mit ihren vielfältigen Formen (Horte, Betreuende Grundschulen, Elternvereine, neu zu entwickelnde Angebote) und die hier gewollte Zuständigkeit des Schuldezernates abbilden. Vor diesem Hintergrund wird die Betreuende Grundschule inkl. ihrer Steuerungseinheit aus der Abteilung Schulsozialarbeit ausgegliedert. Die Eingliederung erfolgt im Schuldezernat, wobei die Leistungserbringung unter Federführung des Dezernates stattfindet. Für die Leistungsbestellung ist nach einer geeigneten Organisationsform zu suchen. ..."

Die GEW-Wiesbaden wird sich auch in Zukunft intensiv in die PPP-Debatte einmischen und fordert für Wiesbaden:

  1. Keine Ausgliederung/Organisationsänderung der KITA's
  2. Keine PPP-Schulsanierungskonzepte
  3. Eine Überprüfung aller Wiesbadener PPP-Überlegungen und Verträge von unabhängigen Gutachtern.
  4. Alle bereits beschlossenen PPP-Projekte werden unverzüglich gestoppt und damit dem Ausverkauf des Eigentums der BürgerInnen Wiesbadens Einhalt geboten.
  5. Für Investitionen in Infrastruktur oder andere öffentliche Vorhaben werden darüber hinaus keine weiteren PPP-Projekte durch die Stadt Wiesbaden durchgeführt.