Offener Brief

Bündnis 90 | Die Grünen

Offener Brief an den bildungspolitischen Sprecher der Grünen im Hessischen Landtag, Mathias Wagner, bzgl. seines Antwortschreibens vom 18.01.2016  an den Kreisverband Darmstadt der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Streik zum verbeamteter Lehrkräfte

Sehr geehrter Herr Wagner,
 
als neu gewählter Vorsitz des Bezirksverbandes Südhessen der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) möchten wir Ihnen gemäß des Beschlusses der Bezirksdelegiertenversammlung der GEW Südhessen heute auf Ihr Schreiben vom 18.01.2016 an den Kreisverband Darmstadt antworten.
 
Es ist bedauerlich, Ihrerseits von knappen Mitteln zu hören, die die Regierungsparteien veranlassen, die Lehrerschaft von der Personalentwicklung abzuhängen und den Bereich Personal des Landeshaushalts seit 2014 zum Sparschwein Ihrer Landesregierung zu erklären – bei gleichzeitiger Erhöhung der Landtagsabgeordnetendiäten um 2 Prozent!
 
Sie sind sicher mit uns der Auffassung, dass Ihre Partei gewählt worden ist, um den politischen Prozess zu gestalten. Dies gilt für die Partei Bündnis 90/DIE GRÜNEN als Regierungspartei in ganz besonderem Maße. Ihre Regierungsverantwortung auf die BürgerInnen zu schieben, indem Sie auf die Schuldenbremse verweisen, ist nicht nur bedauerlich, sondern auch die Vermeidung eigener Verantwortungsübernahme.
 
Wir akzeptieren Ihr Argument einer angeblichen finanziellen und politischen Zwangslage nicht. Wir wissen und haben es immer wieder erlebt, dass sich finanzielle Mittel finden lassen, wenn dies politisch gewünscht ist.
 
Auch können wir nur feststellen, dass ein sich selbst arm sparender Staat selbst redend keine Mittel für Investitionen und eine angemessene Vergütung der LandesbeamtInnen hat.
 
Hier gilt es, die Einnahmeseite zu verbessern. Hierzu haben die GEW und andere Gewerkschaften realisierbare Konzepte vorgelegt, um einen handlungsfähigen Sozialstaat zu schaffen. Dies nicht nur im Interesse der LehrerInnen, sondern auch und gerade für die SchülerInnnen, die einen Anspruch auf gute und umfassende Bildung – gerade im sogenannten „Bildungsland Hessen“ – haben.
 
Nehmen Sie Ihre Verantwortung wahr! Nutzen Sie die Möglichkeiten auf Landesebene und beachten Sie die Bundesebene. Diese zu beeinflussen obliegt auch Ihnen in der Bundesratsarbeit.
 
Ohne jede Frage aber ist Ihre Partei verantwortlich für die Art und Weise, wie mit den Anliegen der LehrerInnenschaft umgegangen wird. Die GRÜNEN haben sich in Abstimmung mit der CDU darauf verständigt, gegen die streikenden Lehrkräfte mit Disziplinarverfahren in Form des schriftlichen Verweises vorzugehen. Diese Maßnahme sucht ihresgleichen. Die Vorgängerregierungen griffen zu deutlich weniger drastischen Mitteln. In Ihrem Schreiben finden wir dazu keine Darlegung.
 
LehrerInnen haben zu 23 Prozent grün gewählt. 
Sie können davon ausgehen, dass sie Ihre Aktivitäten akribisch beobachten.
 
Die Bezirksdelegiertenversammlung der GEW-Südhessen hat mit großer Entrüstung Ihr Schreiben vom 18.01.2016 zur Kenntnis genommen.
 
Anders als Sie es darstellen möchten, diskreditieren Sie tatsächlich Formen des zivilen Widerstands.
Sie behaupten, dass es ein gesetzliches Streikverbot gebe, über das sich die Lehrkräfte hinweggesetzt hätten. Dies entspricht nicht den Tatsachen.
Zunächst einmal wird ein angebliches Streikverbot für deutsche BeamtInnen lediglich aus der Rechtsprechung hergeleitet.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte sieht durchaus ein Streikrecht für LehrerInnen.
Das Bundesverwaltungsgericht ebenso. Es fordert den Gesetzgeber auf, hier Rechtsklarheit zu schaffen.
Die Politik verweigert sich auch hier wieder, dieser Intention zu folgen.
 
Wir hätten erwartet, dass GRÜNE in diesem offenen politischen Prozess zu Gunsten der demokratischen Partizipation entscheiden, stattdessen gehen Sie mit der Härte des Disziplinargesetzes gegen ein Menschenrecht vor.  
 
Wie geschichtsvergessen und  ignorant gegenüber den LehrerInnen Hessens.
 
Für PädagogInnen ist die Vorstellung naheliegend, durch einen inhaltlichen Austausch Veränderung erzielen zu können. Dies gilt auch für politische Prozesse.
 
Wir glauben an die Veränderbarkeit von Verhalten durch Einsicht und politischen Druck. Dafür werden wir streiten.
 
GEWerkschaftliche Grüße, 
 
Doro Jeckel, Tony C. Schwarz, Manon Tuckfeld 
(Vorsitzendenteam der GEW Südhessen)
 
Einstimmig verabschiedet von über 100 Delegierten aus 16 Kreisen der Bezirksdelegiertenversammlung der GEW Südhessen am 16.02.2016

Offener Brief

Brief von Bündnis 90 | Die Grünen