Kundgebung: A13 für alle

Grundschullehrerinnen und -lehrer demonstrieren vorm Landtag für ihre gerechte Bezahlung

Beitrag übernommen von der GEW Hessen:

Am heutigen 14. November war es wieder soweit: Die Bezahlung endet – gemessen an der Bezahlung aller anderen Lehrkräfte. Deshalb trugen Grundschullehrerinnen und -lehrer in ihren Schulen den roten Button "A13 für alle" und demonstrierten vor dem Landtag. Für eine gerechte Bezahlung ließen sie symbolisch Luftballons steigen: Und die Ballons stiegen, so wie das Gehalt der Grundschullehrkräfte endlich steigen sollte! 

Karola Stötzel, stellvertretende Vorsitzende GEW Hessen, und Christine Dietz, GEW Wiesbaden, bekräftigten in kurzen Reden die Forderungen der Gewerkschaft: Die Regelung, Grundschullehrkräfte schlechter zu stellen als andere Lehrkräfte, sei antiquiert. Grundschullehrkräfte müssten sich ebenso wie andere den stetig anwachsenden Anforderungen stellen. Anforderungen an die individuelle Förderung und die Übernahme von sonderpädagogischen Aufgaben zum Beispiel.

Karola Stötzel betonte, das die GEW Hessen  bereits zum zweiten Jahr auf die skandalöse Ungleichbehandlung von Grundschullehrkräften mit einem Aktionstag aufmerksam mache: "Grundschullehrkräfte erhalten in Hessen trotz gleicher Ausbildungsdauer wie beispielweise Lehrkräfte an Haupt- und Realschulen eine ganze Gehaltsstufe weniger Gehalt. Diese Ungleichbehandlung wirkt direkt auf die Berufswahl. Die Zahl der qualifizierten Bewerberinnen und Bewerber für das Lehramt an Grundschulen hat sich deutlich verringert. Hessische Grundschulen haben ein Problem, ausgebildete Lehrkräfte zu finden, obwohl Stellen vorhanden sind. Für die Grundschülerinnen und Grundschüler hat dies zunehmend negative Auswirkungen, Klassen werden nicht geteilt, die Gruppen vergrößert, `zusätzliche´Angebote gestrichen oder eben auch Kolleginnen und Kollegen ohne entsprechende Ausbildung mit Fristverträgen eingestellt. Es ist inzwischen wissenschaftlich erwiesen und gilt den verantwortlichen Politikerinnen und Politikern als stehende Redewendung, die Wichtigkeit der ,frühen Bildung' zu betonen. Doch gerade hier werden die Lehrkräfte Monat für Monat schlechter gestellt und arbeiten ab dem 13. November im Grunde durch ihre Unterbezahltung unentgeltlich. In einem Gutachten für die GEW kommen die Europa-Rechtswissenschaftlerinnen Prof. Dr. Eva Kocher, Dr. Stefanie Porsche und Dr. Johanna Wenckebach sowohl hinsichtlich der Ausbildung als auch hinsichtlich der tatsächlichen Tätigkeit von Grundschullehrkräften zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Besoldung nach A12 um eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts handelt. Dies ist nicht länger hinnehmbar. Die Frage der gleichen Bezahlung von Grundschullehrkräften für gleichwertige Arbeit ist daher von gleichstellungspolitischer Bedeutung. 91,2 Prozent der Beschäftigten an Grundschulen sind weiblich. Ihre Bezahlung mit allen anderen Lehrämtern in Hessen gleichzustellen, heißt, eine aus dem vergangen Jahrhundert stammende frauenfeindliche Benachteiligung zu überwinden. Ich fordere die verantwortlichen Politiker auf, ihren Sonntagsreden von der „Wichtigkeit der frühen Bildung“ Taten folgen zu lassen und die Anhebung der Besoldung auf A 13 endlich vorzunehmen."

Christine Dietz hatte Briefe der GEW an die Fraktionen mitgebracht. Zwei konnte sie direkt vor Ort übergeben: Janine Wissler, Fraktionsvorsitzende DIE LINKE, und Anja Kornau, Parlamentarische Referentin für Bildung, Wissenschaft und Kunst, nahmen die Forderungen entgegen. 

Rede von Christine Dietz, GEW Wiesbaden-Rheingau

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

wir stehen heute hier, um bereits zum zweiten Mal den „1. unbezahlten Tag für Grundschullehrkräfte“ auszurufen. Ab heute arbeiten wir im Vergleich zu allen anderen Lehrämtern bis zum Jahresende unbezahlt. Mit unserer Forderung der Gleichwertigkeit aller Lehrämter stehen wir hier nicht alleine:

Viele Lehrerinnen und Lehrer haben heute die roten Buttons mit unserer Forderung hessenweit in den Schulen getragen, um gemeinsam ein Zeichen für mehr Lohngerechtigkeit zu setzen. Außerdem wurden vor zahlreichen Staatlichen Schulämtern in Hessen Aktionen durchgeführt, um darauf aufmerksam zu machen, dass Grundschullehrkräfte ihre Benachteiligungen nicht mehr länger hinnehmen.

Darüber hinaus finden in der zweiten Novemberhälfte bundesweit GEW-Aktionen zum „1. unbezahlten Tag für Grundschullehrkräfte „ unter dem Motto: „JA13 – weil Grundschullehrerinnen es verdienen“ nach hessischem Vorbild statt. Wir wollen damit unsere schlechtere Bezahlung öffentlich deutlich zeigen, und klarmachen, dass wir viele sind, die gleiche Bezahlung für gleichwertige Arbeit fordern. 

„Ich verdiene A 13, weil…“ steht auf den Sandwichpappen, die Kolleginnen und Kollegen beschriftet haben. Einige Argumente möchte ich hier aufgreifen: 

„Ich verdiene A 13, weil es keinen Grund für (Ge-)Schlechterbezahlung gibt.“

In den Grundschulen arbeiten fast 92 Prozent Frauen in einem „traditionellen“ Frauenberuf. Die Grundschullehrerin gilt als „institutionalisierte Übermutter“, die ihre Schützlinge erzieht, bildet und versorgt. Historisch gesehen alles unbezahlte Tätigkeiten, die dem häuslichen und damit weiblichen Arbeitsbereich zuzuordnen waren. Daraus erwachsen ist eine strukturelle Diskriminierung, die sich durch viele Pflege- und Dienstleistungsberufe zieht und auch in der Pädagogik keinesfalls nur Grundschullehrkräfte betrifft.  Ein aktuelles Rechtsgutachten von Eva Kocher belegt bei Grundschullehrkräften eindeutig eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts.

Es geht also nicht um eine direkte Benachteiligung qua Geschlecht, denn es arbeiten ja auch gut 8 Prozent Männer im Grundschullehramt, die auch schlechter verdienen. Man könnte aber fragen, warum nur 8 Prozent? 

„Ich verdiene A13, weil ich kein wissenschaftliches Studium light hatte.“

In Hessen dauert das Lehramtsstudium für Grundschulen genauso lange wie das für Haupt- und Realschulen. Haupt- und Realschullehrkräfte werden mit A13 wie alle anderen Lehrämter besoldet. Die wissenschaftlichen Anforderungen sind für das Grundschullehramt nicht geringer. Lediglich pädagogische Anteile sind höher. Ist Pädagogik etwa keine Wissenschaft?

Zudem begeben sich Grundschullehrkräfte zum Berufseinstieg berufsbegleitend sofort wieder ins Selbststudium, weil sie durch das Klassenlehrerprinzip an Grundschulen in hohem Maße fachfremd unterrichten müssen. Angerechnet wird das nicht. Aber es tut sich etwas. In sieben Bundesländern sind die Lehramtsstudiengänge mittlerweile alle gleich lang. Trotzdem werden bundesweit Grundschullehrkräfte weiterhin schlechter gestellt. In Schleswig-Holstein argumentiert die Bildungsministerin zynisch, Grundschullehrkräfte bereiteten sich ja nicht direkt auf den Beruf vor!

Einer solch haarsträubenden Argumentation wollen wir  im Zusammenhang mit einem neuen Hessischen Lehrerbildungsgesetz zuvor kommen. Es darf nicht heißen: Kleinere Kinder = kleineres Geld. 

„Ich verdiene A13, weil die Anforderungen an den Beruf gleichwertig mit anderen Lehrämtern sind.“

Inklusion, fachfremder Unterricht, individualisierte Förderung in stark heterogenen Lerngruppen, Elternarbeit und Kooperation mit vielen außerschulischen Institutionen. Fürwahr keine typische Arbeitsbeschreibung für eine Lehrkraft in der Sekundarstufe II – aber deshalb weniger wert?

Ich möchte kurz auf eine GEW-Pilotstudie von 2007 eingehen, in der wohlgemerkt die massiven Anforderungen der Inklusion noch gar nicht berücksichtigt sind: Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Arbeit aller Lehrkräfte nicht gleich, jedoch gleichwertig ist. Dies gilt für die intellektuellen Anforderungen, die Verantwortung im Unterricht sowie die psychosozialen und physischen Belastungen im Umgang mit Schülerinnen und Schülern. Die psychosozialen Belastungen der Grundschullehrkräfte sind durch die persönliche und unmittelbare Konfrontation mit Problemlagen sogar deutlich größer. Zudem tragen Grundschullehrkräfte mehr Verantwortung für die Entwicklung und das Wohlergehen ihrer Schülerschaft.

Diese Verantwortung wird durch die Inklusion nicht weniger, vor allem wenn die sonderpädagogischen Ressourcen absolut unzureichend sind, und die Grundschullehrerinnen und -lehrer mit den Anforderungen strukturbedingt allein gelassen werden. Zudem arbeiten in einer Schule mit den gleichen Kindern zwei Lehrerprofessionen mit unterschiedlichem Gehalt. Das ist nicht inklusiv – das spaltet.

Insgesamt viele gute Argumente für A13  auch für Grundschullehrer_innen, die sich auch nicht ewig durch klamme öffentliche Kassen entkräften lassen. Wer es mit guter Bildung für alle ernst meint, muss investieren. Am Ende kommt dies allen zugute. Wer aber nur auf die schwarze Null verweist und auf Marktmechanismen à la  „Augen auf bei der Berufswahl“ setzt, muss sich nicht wundern, wenn es immer weniger ausgebildete Grundschullehrkräfte gibt. Der derzeitige Mangel an ausgebildeten Grundschullehrkräften ist hausgemacht! An den Ländergrenzen wandern die Kolleginnen und Kollegen in Nachbarbundesländer ab, weil A12 dort mehr Geld und weniger Arbeitszeit bedeutet.

Berlin hat das Signal schon verstanden und hat die Höhergruppierung für Grundschullehrkräfte im Senat zugesagt. Wir Pädagoginnen und Pädagogen, die gerne auf das Lernen aus Einsicht setzen, sind der festen Überzeugung, dass auch die hessischen Landespolitiker_innen zu diesem Schritt fähig sind. Bis dahin werden wir nicht locker lassen und dranbleiben, weil Grundschullehrerinnen und -lehrer es verdienen.