Frau D. Henzler aus Kanada:

Ich bin für Inklusion ganz gründlich und ganz langsam

Aus der Presseinformation des Hessischen Kultusministeriums vom 27.5.2011: "Kultusministerin Dorothea Henzler auf Delegationsreise in der kanadischen Provinz New Brunswick / „Erfahrungen mit Inklusion auch für Entwicklung in Hessen bedeutsam“

Wiesbaden. Gemeinsam mit den Obleuten des Kulturpolitischen Ausschusses des Hessischen Landtags hat Kultusministerin Dorothea Henzler in dieser Woche die kanadische Provinz New Brunswick besucht. Auf dem Programm standen Gespräche mit Kabinettsmitgliedern der Provinz, dem Bildungsministerium von New Brunswick sowie Besuche in Schulen. Im Mittelpunkt der Gespräche stand das Thema Inklusion. New Brunswick besitzt seit 1986 ein inklusives Schulsystem.

„Die Erfahrungen und Erkenntnisse, die Kanada mit dem Thema Inklusion seit Jahren macht, sind auch für die aktuellen Entwicklungen in Hessen von Bedeutung“, sagte die   Ministerin. „Das Beispiel Kanada zeigt, dass Inklusion nur dann funktioniert, wenn alle an Schule Beteiligten den Prozess mitgestalten und auch mittragen.“ Das inklusive Schulsystem in New Brunswick baue auf eine hohe Akzeptanz innerhalb der Bevölkerung. „Resource Teachers“ würden speziell für die Herausforderungen des inklusiven Schulsystems und für die sonderpädagogischen Bedürfnisse der Förderschüler ausgebildet. Viele Schulen hätten zusätzliche Räumlichkeiten eingerichtet, um Kindern mit Förderbedarf Rückzugsmöglichkeiten und Betreuung zu garantieren. Fünfundzwanzig Jahre nach Einführung der Inklusion habe aber, so die Ministerin, auch Kanada weiterhin Schwierigkeiten, Voraussetzungen zu garantieren, um jedem Kind die   bestmögliche Förderung zu gewährleisten. Henzler sieht daher den Weg, den Hessen eingeschlagen hat, bestätigt. „Wir geben dem Prinzip Gründlichkeit vor Schnelligkeit Vorzug.“ Hessen werde den Anteil der Förderschullehrerstellen für ambulanten, präventiven und gemeinsamen Unterricht weiter ausbauen. Die 122 Sonderpädagogischen Beratungs- und Förderzentren (BFZ) sowie die 15 Inklusionsbeauftragten in den Regionen unterstützten die Schulleitungen der allgemeinen Schulleitungen durch Information und Beratung. „Wichtig ist, dass bei allen politischen Maßnahmen das Wohl des einzelnen Kindes immer im Mittelpunkt steht“, so Henzler.
“Yes we can!”…wollen wir mal aufmunternd der Kultusministerin zurufen – „geht doch!“…….leider ist aber nach den letzten offiziellen Mitteilungen der CDU und FDP nicht davon auszugehen, dass diese Reise den Verantwortlichen im Kultusministerium einen nennenswerten Erkenntnisgewinn bringen wird.

So hätte die Ministerin noch vor kurzem die Möglichkeit gehabt, in Wiesbaden ein Modellvorhaben zu genehmigen, das eine Erweiterung des Gemeinsamen Unterrichts - insbesondere des Wahlrechts der Eltern von Kindern, die in die Klassen 1 bzw. 5 kommen - bedeutet hätte. Dies lehnte sie ab. Die Stadt Wiesbaden und das Staatliche Schulamt hatten gemeinsam in den letzten Monaten ein Modell entwickelt, eine konkrete Verbesserung im Gemeinsamen Unterricht zu erreichen, der in Wiesbaden nach wie vor nicht den Bedarf  an notwendigen Plätzen erfüllen kann.  Das Verhalten der Ministerin offenbart in exemplarischer Weise, dass „Inklusion“ in der hessischen Bildungspolitik kein ernsthaftes Thema ist. In Hessen fehlen Einsicht, Vision und vor allem der politische Wille der Verantwortlichen, die Allgemeine Schule so zu gestalten, dass auch behinderte Menschen ihren Platz darin finden.

Außerdem wurde uns gerade von Herrn Wagner (Fraktionsvorsitzender der CDU im Landtag) und Herrn Irmer (schulpolitischer Sprecher der CDU) per FAZ vom 14.4.11 mitgeteilt, dass die Inklusion Grenzen habe.  Zitat aus diesem Artikel: „Irmer sagte, die CDU-Fraktion sei für die Inklusion….es sollten (aber) nicht alle Kinder mit Lernschwierigkeiten in Regelschulen gehen…..besondere Förderung (die der Förderschulen) erhielten die Schüler an einer Regelschule nicht.“ Außerdem ist Herr Irmer der Auffassung, dass den Forderungen der UN- Konvention durch die hessische (Förderschul)Realität bereits Genüge getan werde, eine Auffassung, die sachkundige Personen und Eltern gleichermaßen irritiert – ebenso wie die Auffassung Herrn Wagners, die UN-Konvention richte sich an Länder, in denen Behinderte gar keine Schule besuchen dürften. Also ist bei uns in Hessen ja alles bestens, oder?

Betroffenen Eltern kann man immer nur wieder ans Herz legen, sich trotzdem für eine inklusive Beschulung ihrer Kinder ein zu setzten und notfalls auch zu klagen. Informationen hierfür gibt es bei der Landesarbeitsgemeinschaft

 „Gemeinsam leben -gemeinsam lernen“