"Bürgerinitiative »Gemeinwohl hat Vorfahrt« will es wissen“

OFFENER BRIEF Wiesbaden, den 05.11.2014

Vor der Abstimmung am 20. November wird ein Offener Brief an alle Stadtverordneten versandt. (Auf der gestrigen Ausschusssitzung Schule & Kultur (4. November2014) haben CDU/SPD und Unabhängige&Freie Wähler einem Mietvertrag für ein noch nicht errichtetes Gebäude zugestimmt. Diese Parlamentarier_innen waren nicht an möglichen Folgen für Wiesbadener Kulturschaffende jenseits von Staatstheater und Stadtmuseum interessiert).

OFFENER BRIEF Wiesbaden, den 05.11.2014

Sehr geehrte Damen und Herren Stadtverordnete,

die BI „Gemeinwohl hat Vorfahrt“ begleitet seit geraumer Zeit die Planungen zur Anmietung eines von der OFB zu errichtenden Gebäudes an der Wilhelmstraße, um darin das seit langem gewünschte Stadtmuseum einzurichten. Es sei hier noch einmal betont, dass wir dem Projekt Stadtmuseum grundsätzlich positiv gegenüber stehen und dafür in vertretbarem Rahmen öffentliche Ausgaben gutheißen.

Nach unserer Meinung muss aber geprüft werden, ob das zur Abstimmung stehende Mietmodell den Interessen der Stadt, der Steuerzahler und des Museums wirklich dienlich ist.

Es ist eine unbestreitbare Tatsache: Demokratie lebt vom Dialog! Deshalb bitten wir Sie, folgende Fragen vor der Stadtverordnetenversammlung am 20.11. zu beantworten bzw. in Ihrer Fraktion auf eine (öffentliche) Beantwortung zu drängen. Wir werden unsere weiteren Aktivitäten unter anderem auch von den Antworten abhängig machen, die wir auf diese Fragen erhalten.

Unsere Fragen lauten:

  1. Warum soll ein Beschluss über die Umsetzung des Mietmodells herbeigeführt werden, obwohl die städtischen Haushaltsbelastungen für Personal- und Betriebskosten des Museumsbetriebes noch nicht benannt sind und noch nicht geklärt ist, mit welchen Finanzmitteln das langjährige Projekt überhaupt finanziert werden soll? Welche zusätzlichen Haushaltsbelastungen sind hier in den kommenden 30 Jahren zu erwarten?
  2. Wie verhalten sich die kalkulierten Gesamtkosten des Mietmodells zu denen des verworfenen Töpfer-Bertuleit-Entwurfs, auch im Hinblick auf die Ausstellungs- und Nutzfläche insgesamt? Im Jahre 2009 wurde eine Haushaltsbelastung von 29 Mio. € (abzüglich 5 Mio. Landeszuschuss, also real 24 Mio.) als zu teuer gewertet.
  3. Die Differenz zwischen den jetzt geplanten Mietkosten (etwa 68 Mio.) und den 2009 für zu hoch befundenen Baukosten (ca. 30 Mio.) wurde bisher u.a. mit dem Hinweis auf die hierdurch für die Stadt eingesparte Bauerhaltung begründet. Wie ist diese Verpflichtung des Vermieters zur Bauerhaltung konkret im Mietvertrag abgesichert? Lässt sich hieraus ableiten, dass bei einem öffentlichen Gebäude in 30 Jahren immer mit einem Erhaltungsaufwand von ca. 40% der Baukosten zu rechnen ist? Gelten ähnliche Annahmen auch für den kommunalen Neubau der Rhein-Main-Halle? Wie sind diese Kosten im Haushalt abgesichert?
  4. Die OFB liefert nach eigener Aussage ein „Ausstellungsgebäude“. Wie hoch sind die Kosten für einen museumsgerechten Innenausbau des Gebäudes?
  5. Was geschieht nach Ablauf des Mietvertrages? Ist die Stadt verpflichtet, das Gebäude unabhängig von seinem baulichen Zustand zu übernehmen? Welche Regelungen gibt es für den Rückkaufbetrag in Bezug auf Preissteigerung und Bodenwertentwicklung?
  6. Liegt über die vom Land Hessen für das Projekt zugesagten 5 Mio. € ein verbindlicher Zuwendungsbescheid vor? Kann die als Baukostenzuschusses gedachte Zuwendung in einen Mietkostenzuschuss umgewandelt werden? Falls „nein“ – welche Gründe zwingen dazu, über „mieten“ oder „nicht mieten“ zu entscheiden, bevor dieser wichtige Punkt geklärt ist? Falls das Land Hessen einen Mietkostenzuschuss gewährt, ist dann sichergestellt, dass der entsprechende Betrag in vollem Umfange der Stadt als Mieterin zur Minderung ihrer Mietkosten zugutekommt?
  7. Die Stadt hat durch den Neubau der Rhein-Main-Hallen und der Sporthalle am Platz der deutschen Einheit ihren finanziellen Handlungsspielraum bereits erheblich eingeschränkt. Woher gedenken Sie die doch erheblichen Mittel für Miete und Betrieb des Stadtmuseums zu nehmen, ohne im Bereich der Kultur-, Bildungs- und Sozialpolitik in den nächsten Jahren den Rotstift ansetzen zu müssen? (Dabei lassen wir weitere gravierende Unwägbarkeiten für den städtischen Haushalt wie volkswirtschaftliche Entwicklung und Neuregelung des kommunalen Finanzausgleichs unberücksichtigt.)

Die SprecherInnen der BI:
Hans-Georg Heinscher, Brigitte Forßbohm, Bernd Meffert