BAG-Urteil:

Benachteiligung bei der Stufenzuordnung rechtlich zulässig

Zwei aktuelle Urteile des Bundsarbeitsgerichts (BAG) zur Stufenzuordnung im TV-L vom 23. September 2010 haben die Notwendigkeit klarerer und realitätsbezogenerer tariflicher Regelungen zur Anerkennung von Beschäftigungszeiten für die Stufenzuordnung erneut drastisch vor Augen geführt.
Die Problematik der Anerkennung früherer Berufserfahrung bei Neueingestellten existiert in gleicher Weise im TVöD für Bund und Kommunen. Lediglich für Wissenschaftler an Hochschulen und Forschungseinrichtungen sind Sonderregeln vereinbart worden, die für die Beschäftigten günstiger ausfallen.

Im ersten Urteil (6 ARZ 180/09) wurde die Klage eines Lehrers abgewiesen, der zwölf Jahre an privaten Einrichtungen tätig war und 2007 als angestellter Lehrer in den Schuldienst beim Land Baden-Württemberg zurückgekehrt war. Bei seiner Wiedereinstellung wurde er der Entgeltstufe 2 zugeordnet und klagte anschließend auf Vergütung gemäß Stufe 5. Eine unterschiedliche Behandlung, je nachdem ob die Berufserfahrung beim Land Baden-Württemberg oder einem anderen Arbeitgeber erworben wurde, sei nicht gerechtfertigt. Das BAG wies die Klage mit der Begründung zurück, § 16 Abs. 2 Satz 2 TV-L, der die Anrechnung von Zeiten "einschlägiger Berufserfahrung" beim selben Arbeitgeber regelt, diene lediglich dem Besitzstandsschutz von Arbeitnehmern bei kurzfristigen Unterbrechungen des Arbeitsverhältnisses. Man dürfe annehmen, dass solche Beschäftigten nach ihrer Wiedereinstellung die erworbene Berufserfahrung schneller in vollem Umfang im neuen Arbeitsverhältnis einsetzen können, als solche, die ihre Berufserfahrung bei einem anderen Arbeitgeber erworben haben. Die Gründe, die das Bundesarbeitsgericht für die sachliche Rechtfertigung heranzieht, sind allerdings wenig überzeugend. Besonders abenteuerlich ist das Argument, dass bei einem anderen, insbesondere privatrechtlichen, Arbeitgeber die Berufserfahrung "oftmals in gänzlich andersartigen Strukturen erworben" worden sei. Das ist, bezogen auf den Lehrerberuf, eine schlicht widersinnige Vorstellung. Auch der Gedanke, dass dadurch ein Anreiz zur Rückkehr in den öffentlichen Dienst geschaffen werden soll, ist wenig überzeugend - für alle, die nach einer längeren Unterbrechung zurückkehren, hat es die gegenteilige Wirkung. 

Dem Bundesarbeitsgericht muss jedoch zugute gehalten werden, dass die Tarifvertragsparteien diese nicht befriedigende Situation selbst verursacht haben. Die Regelungen zur Stufenzuordnung bei Neueinstellungen sind in mehrfacher Hinsicht nicht plausibel und in sich widersprüchlich. Deshalb sind auch die Tarifvertragspartien gefordert, Abhilfe zu schaffen. Im Rahmen der so genannten Tarifpflege wird dies jedoch nur bei einem entsprechenden Druck der Beschäftigten gelingen. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sollte deshalb auch bei der Entwicklung der Forderungen für die Tarifrunde 2011 eine Rolle spielen. 

Höhere Stufenzuordnung bei Neueinstellung verhandelbar

In einem zweiten Urteil (6 ARZ 174/09) sprach derselbe Senat des BAG einer Klägerin, die "zur Deckung des Personalbedarfs" eingestellt worden war, die Vergütung nach der höchstmöglichen Stufe 5 der Entgeltgruppe 13 zu. Ihr sei bei ihrer Einstellung eine Vergütung in einer bestimmten Höhe zugesagt worden. Der zugesicherte Betrag könne aber nur unter Ausübung des Ermessens gemäß § 16 Abs. 2 Satz 4 erreicht werden, indem man sie der höchsten Stufe zuordnet. Satz 4 erlaubt dem Arbeitgeber "zur Deckung des Personalbedarfs" förderliche Zeiten bei einem anderen Arbeitgeber ganz oder teilweise anzuerkennen. 

Mit beiden Urteilen untermauert das BAG den weiten Ermessensspielraum der öffentlichen Arbeitgeber bei der Entlohnung ihrer Beschäftigten. Denn ob eine Einstellung als "zur Deckung des Personalbedarfs" nötig erachtet wird, ist eine einseitige und willkürliche Festlegung der Arbeitgeber.