Angst und Schrecken in Privatschulunternehmen

Lehrkräfte klagen seit Jahren über „Willkür“ und „Mobbing“ durch Schulleiter Gerhard Obermayr.

Der Betriebsrat wiegelt ab. Die Klasse galt als schwierig. Laut Lehrer Hermann D.* ermunterte Schulleiter Gerhard Obermayr ihn: „Greifen Sie durch.“ Doch als Hermann D. auch mal Fünfen vergab, da wendete sich das Blatt. Einige Eltern hätten sich bei Obermayr beschwert – und der sei seiner Lehrkraft in den Rücken gefallen. „Wie kommen Sie dazu, so einen Kurs zu fahren?“, erinnert sich Hermann D. Und: „Ihr Unterricht hat methodische Probleme.“ Es seien Unterrichtsbesuche, Drohungen, Anweisungen per E-Mail gefolgt. „Dann konnte ich nicht mehr“, sagt Hermann D. Er wurde krank. „Mir ist ein solcher Vorfall nicht bekannt“, erklärt Obermayr auf Anfrage der E&W.

Wer mit Lehrkräften des Wiesbadener Privatschulträgers Obermayr Europa-Schule spricht, hört derartige Berichte öfter. Von „Willkür“ ist die Rede. Schulleiter Obermayr verbreite „Angst und Schrecken“, so ein Insider. „Es herrschen Misstrauen, fehlende Transparenz und umfangreiche Kontrollverfahren.“ Das sagt Rainer Stübling, der bis 2009 – zeitweise auch als stellvertretender Schulleiter – in dem Privatschulunternehmen arbeitete. Stübling unterstützt eine Gruppe ehemaliger Obermayr-Lehrkräfte, die Erfahrungsberichte sammelt und sich für Arbeitnehmerrechte an der Privatschule einsetzt. Zu den Vorwürfen Stüblings will sich der Schulleiter nicht äußern.

Als Vorstand des gemeinnützigen Trägervereins lenkt der 50-jährige Obermayr einen kleinen Bildungskonzern: private Grundschulen, Realschulen und Gymnasien. Mit drei Standorten in Wiesbaden (Erbenheim, Stauferland und Bierstadter Straße) und je einem in Rüsselsheim, Schwalbach und Taunusstein. Zum Obermayr-Unternehmen zählen Kitas, die Obermayr Business School und die Internationale Schule in Schwalbach. Auch im marokkanischen Fès betreibt der Bildungsanbieter eine Schule. Obermayr beschäftigt 158 Lehrkräfte, auch aus England, Frankreich, den USA oder Peru. Rund 1500 Mädchen und Jungen besuchen Einrichtungen des Trägers – gut 500 mehr als im Jahr 2008. Wer sein Kind zur „Bilingualen Realschule mit Ganztagsangebot“ in Taunusstein schickt, zahlt 385 Euro im Monat: für Schulgeld, Mittagessen und Nachmittagsbetreuung.

Die Obermayr-Schulen wurden 1956 von Karl Obermayr gegründet. Dessen Sohn Gerhard produziert seit Jahren Negativ-Schlagzeilen. „Mobbing-Vorwürfe gegen Schulleiter“, titelte die Frankfurter Rundschau (FR) im Februar 2009. Obermayr soll einer Musiklehrerin mit dem Schulamt gedroht haben, wenn diese nicht den Aufhebungsvertrag unterschreibe, war dort zu lesen. Wie die FR schrieb, bestritt der Anwalt des Schulleiters den Vorwurf. Obermayr habe zudem einem stellvertretenden Schulleiter sowie einer Sekretärin gekündigt, hieß es in dem Artikel weiter. Obermayr entgegnete laut FR: Die Entlassungen erfolgten wegen „fachlicher Mängel“ oder „weil der Betroffene das Schulkonzept nicht mittragen wollte“. Im Juni 2013 meldete die FR: „Erneut ziehen zwei Lehrer des Bildungsunternehmens vor das Arbeitsgericht.“

„Personalkarussell“

Auch der GEW Hessen ist das Wiesbadener Bildungsunternehmen wohlbekannt. Am 19. April 2013 kritisierten die GEW-Kreisverbände Wiesbaden-Rheingau-Untertaunus auf ihrer Homepage „Obermayrs Personalkarussell“. Es stelle sich die Frage, so die Gewerkschaft, „welche Funktion die Betriebsräte in diesem Privatschulunternehmen einnehmen“. Die Obermayr-Betriebsräte, urteilt der GEW-Landesverband, „haben entweder resigniert oder sich mit ihrer Rolle als Spielball ihres Chefs in arbeitsrechtlichen Verfahren abgefunden“.

Am 26. April veröffentlichte die GEW Wiesbaden einen Rundbrief Obermayrs. Darin setzt der Schulleiter Angestellte unter Druck. „Bereits im Oktober 2012 wurde ich darüber informiert, dass ein Mitarbeiter Kontakt zur GEW aufgenommen hat“, heißt es drohend in dem Rundschreiben. „Eine Kollegin und ein Kollege aus Erbenheim spielen mit dem Feuer“, schreibt Obermayr. Und: „Wir arbeiten nicht mit einer Gewerkschaft zusammen, die die wirtschaftliche Basis der Lehrkräfte im Privatschuldienst schwächen möchte.“ Dazu muss man wissen, dass es im Obermayr-Unternehmen keinen Tarifvertrag für angestellte Lehrkräfte gibt und auch derzeit keine Tarifverhandlungen in Aussicht sind.

Der Obermayr-Betriebsrat schlägt sich auf die Seite der Schulleitung. Er kri­tisiert am 5. Mai in einer schriftlichen Stellungnahme, dass „schulinterne Informationen an die GEW weitergegeben“ wurden. Dies werde von der Gewerkschaft „offenkundig dazu genutzt, das Unternehmen der Europa-Schule und die Person Dr. Obermayrs als Arbeitgeber zu diskreditieren“. Der Betriebsrat setzt auf Kuschelkurs und betont: Obermayr habe mehrfach darauf hingewiesen, dass er „in Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat und dem Kollegium bereit ist, über alle bestehenden Fragen und Probleme offen zu sprechen“.
Gegenüber E&W präsentiert sich Obermayr als umsichtiger Arbeitgeber. Seit 2005, so der Schulleiter, sei es an vier Schulstandorten „meines Wissens“ lediglich zu sieben Arbeitsgerichtsverfahren gekommen. „Wir versuchen, Auseinandersetzungen vor dem Gang zum Arbeitsgericht gütlich zu klären“, ergänzt Obermayr. Beschäftigungsverhältnisse würden „stets unbefristet“ ausgesprochen. Die Fluktuationsquote der Mitarbeiter sei „außerordentlich gering“.

Matthias Holland-Letz,
freier Journalist

*Name von der Redaktion geändert

Abdruck mit freundlicher Genehmigung der Redaktion E&W (10/2013)