Rede zum 1. Mai

von Manon Tuckfeld im Rahmen der Kundgebung des DGB in Wiesbaden

Krieg ist Krieg / Menschenrechte sind unteilbar / Solidarität ist unteilbar / Jede/r hat ein Recht auf Leben

Große Ziele – doch was bedeuten sie? Sie bedeuten:
Es gibt nicht den Krieg von Bush, Assad, Erdogan oder Putin, sondern Krieg.

Menschenrechte? Sie gelten für alle.
Unabhängig von Hautfarbe, Religion, politischer und sexueller Orientierung.

Solidarität? Sie gilt für Menschen, die aus der Ukraine vor Krieg und Elend fliehen. Sie gilt für die Kurdinnen und Kurden, die aktuell durch die Türkei bombardiert werden. Sie gilt den Menschen, die über die Türkei oder Afrika nach Europa fliehen wollen.

Das Recht auf Leben gilt für Männer und Frauen, die für das Land, in dem sie leben nicht kämpfen und sterben wollen. Dieses Recht gilt für Russen, Ukrainer und andere, die zu den Waffen gerufen werden und nicht hingehen wollen.

Große Ziele – allesamt vernachlässigt
Um Kriege zu verhindern, ist es die erste Aufgabe internationale Beziehungen aufzubauen, zu vertiefen, zu verstetigen. Die zweite Aufgabe ist es, auf dieser Grundlage abzurüsten,
am besten beginnend mit den sogenannten Massenvernichtungswaffen.

Ersteres ist versucht worden – und die, die es versucht haben werden heute gescholten,
letztes leider nein, die Nato rückte Stück für Stück voran. Für einige war und ist die politische und militärische Konsolidierung ihres Einflussgebietes von zentraler Bedeutung – oder glaubt hier jemand, dass Geld und Waffen allein aus rein altruistischen Gründen der Ukarine gegeben werden?

Auch wenn heute bewiesen ist, dass die Regierung von Russland sich nicht in eine Kooperation hat bringen lassen, war der Versuch richtig und er wird es auch wieder und weiterhin sein.

Die Weltgemeinschaft hat zu wenig auf Kooperation auf Abrüstung gesetzt.
So tragen alle Staaten, die dem Atomwaffenverbotsvertrag nicht beigetreten sind zentrale Verantwortung dafür, dass es auch heute noch die atomare Bedrohung gibt. Wohlgemerkt alle Staaten.

Ich weiß, dass Russland das Lied des Krieges singt, mit lautem nationalistischem Geklirr und imperialen Großmachtgehabe. Ausdruck dieses großrussischen Nationalismus ist der durch nichts zu legitimierende Angriff auf die Ukraine.

Aber müssen wir uns, weil Russland das Lied singt, in die gleiche Logik begeben?
Zahn um Zahn, Auge um Auge, Waffe um Waffe Krieg um Krieg?

Nein.  Die konkrete Umsetzung dieses NEINs heißt ganz zentral: raus aus der eigenen nur noch eskalierenden Rhetorik.

  • Denn in dieser Rhetorik wird die bedingungslose Militarisierung zur moralischen Verpflichtung erklärt.
  • Denn in dieser Rhetorik verehren wir auf einmal ukrainische Männer, die von sich sagen, dass sie ihr Land bis zum letzten Blutstropfen verteidigen wollen.

Wir müssen unseren Verstand bemühen, auch wenn das Leid des Krieges einem jeden Tag das Herz zerreißt.

Solidarität ist unteilbar – so ist es vielleicht naiv, aber wenn wir für eine wertegebundene und feministische Außenpolitik einstehen wollen, stehen wir bitte überall dafür ein.

Tun wir dies selektiv dann ist das nicht mehr, aber auch nicht weniger, als der bigotte rhetorische Dreck zur Legitimation einer weiteren Militarisierung der Außen- und Sicherheitspolitik.

Wenn jede/r ein Recht auf Leben hat, dann gilt es so zu handeln, dass nicht nur die heutige Generation, sondern auch die nächsten Generationen eine Chance und eine Möglichkeit auf ein gutes Leben haben.

Genauso wie wir es seit Jahren, in Bezug auf den Ukraine Krieg spätestens seit 2014 –sträflich -
verpasst haben, Kraft, politische Energie und Geld in den Frieden und die Abrüstung zu stecken, haben wir es seit Jahren verpasst, Kraft, politische Energie und Geld in den Klimaschutz zu stecken.

Jetzt werden die alten Fehler wieder hochgefahren.

Das ist aus meiner Sicht falsch. Es verbietet sich, weiter auf fossile oder atomare Energie zu setzen,
die fossile, weil sie nicht nur endlich ist, sondern die globale Erderwärmung dazu führt, dass ein gutes menschliches Leben in immer weniger Regionen der Welt noch möglich ist.
Wer nach Tschernobyl und Fukushima stattdessen die Atomkraft als klimafreundlich anpreist, bietet Pest als Alternative zur Cholera an.

Wegen Putin-Kriegs, nicht aber des Krieges an und für sich, ist es notwendig, seinem Diktat zu entkommen. Und wie? Über Katar und die Vereinigten Arabischen Emirate? War da nicht was? Mit dem Jemen und der Finanzierung des Terrors, den Frauen- und Menschenrechten?

Ach vergiss es. Es ist doch Krieg! Putins Krieg! Und wichtig scheint heute nur noch eins. Unsere militärische Solidarität mit der Ukraine – und wir wissen ja, wer Putin Gas abkauft finanziert den Krieg.

Wenn sich im Zuge des Angriffskriegs auf die Ukraine nun die Abhängigkeit von russischem Gas, wenn auch spät, thematisiert wird, so kann nur Energieeffizienz und Einsparung auf der einen, der massive Ausbau regenerativer Energien auf der anderen Seite die Lösung sein.

Für mich gibt es keine Alternative zum Frieden. Sie ist mühsam, aber als einzige langfristig richtig.

Ich danke jede/r und jedem, der seinen Verstand bemüht anstatt sich in Rage und uns besoffen zu reden, hoch moralisch, hoch betroffen, wenig analytisch, im Grunde genommen apolitisch.

Ich danke jeder/m, der sich der Last der des politischen Aushandlungsprozesses unterzieht und Entscheidungen wohl abwägt, bevor sie getroffen werden und hoffe inständig auf den Erfolg der Politik.

Ich möchte nicht, dass die, die nach mir kommen, lesen können, dass die Welt die Gefahren des Krieges unterschätzt und die eigenen geopolitischen Interessen zu sehr in den Mittelpunkt der Entscheidungen gestellt hat.

Menschenrechte sind unteilbar / Solidarität ist unteilbar / Jede/r hat ein Recht auf Leben

„Stell Dir vor es ist Krieg und keiner geht hin“ dass diese pazifistische Grundposition als naiv oder – schlimmer – als fünfte Kolonne des Feindes verunglimpft wird ist nicht neu.

Ich dachte wir wären schlauer geworden.

Nie wieder Krieg