Wiesbadener Schulen werden kaputt gespart

Am 13.6.2012 demonstrierten Eltern, Lehrer und Schüler vor dem Rathaus gegen die Sparpolitik der Stadt, die zu Lasten der sanierungsbedürftigen Schulen geht.

Die GEW-Kolleginnen und Kollegen waren zur Demo behelmt und in zünftiger Arbeitsmontur, sozusagen als mobiler Bautrupp, erschienen.

Im Haushaltsentwurf der Stadt für 2012 und 2013 sind pro Jahr nur 4,8 Millionen Euro für Sanierung und Ausbau von Schulen vorgesehen. Ein Skandal angesichts der Tatsache, dass sich der Sanierungsstau an unseren Schulen auf mittlerweile 300 Millionen Euro beläuft, wie Michael Zeitz (GEW) berichtete.

Manon Tuckfeld (GEW) verwies auf die kürzlich vom Magistrat beschlossene Prioritätenliste. In dieser Rangliste hat man zwar den betroffenen Schulen ihren Sanierungsbedarf attestiert; wenn jedoch nicht erheblich mehr Mittel als bislang vorgesehen aufgebracht werden, müssen viele dieser Schule noch ein bis zwei Jahrzehnte warten, bis sie an die Reihe kommen. Derweil kann es in den Gebäuden weiter vor sich hinschimmeln, können undichte Fensterrahmen restlos zerbröseln, Toiletten ungehindert vergammeln, müssen sich Lehrer und Schüler häufig mit unschönen und oft beengten Räumen abfinden.

Die von den Demonstranten mitgebrachten Fotos legten eindrucksvoll Zeugnis ab über die wahrhaft armseligen Zustände an vielen Wiesbadener Schulen. 26 Schulen auf besagter Liste sind schwerst sanierungsbedürftig. Zeitz merkte an, dass dies ja nicht irgendwo passiere, sondern in der reichen BRD und obendrein noch in einer Stadt mit der höchsten Millionärsdichte!

Ein Schüler (Klasse 13, Schule am Mosbacher Berg) beschwerte sich, dass er sich während all der Jahre, die er in dieser Schule verbracht habe, an keine nennenswerten Sanierungsarbeiten in oder am Gebäude erinnern könne, obwohl es überall bröckele und übel rieche.

Was Stephan Reitz zu berichten hatte, passt durchaus nach Absurdistan: In der Krautgartenschule in Kostheim läuft die Heizung auch dann, wenn man sie nicht braucht, bei warmem Sommerwetter zum Beispiel, weil nämlich seit März die Relais kaputt sind und die Stadt bis jetzt keine Reparatur bewilligt hat.

Die GEW hat in den letzten beiden Jahren auf öffentlichen Veranstaltungen, bei Infoständen immer wieder auf die unhaltbaren Zustände an vielen Schulen in Wiesbaden aufmerksam gemacht und auch die verantwortlichen Politiker zu einem unserer Bildungsgespräche eingeladen. Von OB Dr. Müller konnte man da vor allem hören, dass es an Geld fehle, die Stadt sei ohnehin schon hoch verschuldet, die Schuldenbremse treffe eben auch den Schulsektor.

Man fragt sich, warum die Stadt einer so vordringlichen Aufgabe wie die Erhaltung und Erneuerung von Schulgebäuden in den letzten Jahrzehnten mit so wenig Sorgfalt und Vorsorge, auch in finanzieller Hinsicht, begegnet ist. Nimmt man die Zustände in den Schulen als Gradmesser für die Wertschätzung, die die Politiker den Schülern, Eltern und Lehrern entgegen zu bringen scheinen, dann haben wir es  hierbei mit einer äußerst traurigen Bilanz zu tun.

Denn offenbar fehlt’s der Stadt nicht an Geld, wenn es sich um prestigeträchtige Projekte handelt: Wir denken dabei an das geplante Stadtmuseum, die Erneuerung der Rhein-Main-Hallen, das kostenintensive Pfingstturnier und nicht zuletzt an  den millionenschweren Zuschuss an die European Business School.

Auf einer Prioritätenliste gehört folgendes ganz nach oben:  Wir müssen vor allem in die Zukunft der jungen Generation investieren. Dazu braucht es freundliche, geräumige, schön gestaltete und zweckmäßig ausgestattete Schulen des 21. Jahrhunderts.

Schule ist ein Raum, in dem unsere Kinder und Jugendliche einen wesentlichen Teil ihrer Zeit verbringen und der ihre Wahrnehmung und ihr Werteverhalten auch in ästhetischer Hinsicht wesentlich beeinflusst und prägt.

Franziska Conrad (GEW) brachte diesen Gedanken in ihrem Vortrag "Der Raum als dritter Lehrer" auf den Punkt: Gestaltung und Ausstattung der Räume müssen einen achtsamen Umgang fördern. Wie häufig produzieren verwahrloste Räume und Einrichtungen Schlamperei und Vandalismus. Ein Schulträger und eine Schulleitung, denen der Zustand der Schülertoiletten nicht genauso  wichtig ist wie die Ästhetik des Elternsprechzimmers verfehlen ihre Aufgabe. (Anm. Der komplette Vortrag befindet sich auch auf unserer Website: gew-wiesbaden.de)

Die Kollegin zitierte zum Schluss aus der Münsteraner Erklärung (2009, Kongress zum Thema Erneuerung von Schulen und anderen Bildungshäusern): Ihre (Anm. der Schulen) Schönheit ist Ausdruck unserer Haltung gegenüber Kindern. Schönheit ist ansteckend, Verwahrlosung auch.

Wir wünschten, die politisch Verantwortlichen in unserer Stadt ließen sich im besten Sinne von diesem Gedanken einmal "anstecken".