Wiesbaden braucht zwei Oberstufengymnasien

1400 Unterschriften für den Erhalt der Carl-von Ossietzky-Schule

Mehr als 40 Eltern, SchülerInnen, LehrerInnen, Mitglieder des Fördervereins, Vertreter der SV und des Wiesbadener Jugendparlaments kamen zur Ausschusssitzung "Schule und Kultur" des Wiesbadener Stadtparlaments am 08.03.12 ins Landesmuseum, um der zuständigen Dezernentin Rose-Lore Scholz (CDU) 1400 Unterschriften zu überreichen. Mit ihrer Unterschrift fordern die Unterzeichnenden den Erhalt der Carl-von-Ossietzky-Schule sowie der Martin-Niemöller-Schule als zwei selbständige Oberstufengymnasien in Wiesbaden. Wir werden die GEW-Position hierzu noch am Schluss des Artikels erläutern.

So eindeutig der Schüler- und Elternwillen ist, so deutlich ist der Unwille der Koalitionsmehrheit aus SPD und CDU, sich auf eine Strategie festzulegen. Die Bürger werden wie so häufig hingehalten und im Ungewissen gelassen; GRÜNE und LINKE&PIRATEN zielen auf den Erhalt beider Schulen.

Da die SPD nicht schlankerhand öffentlich den Antrag der Fraktion LINKE&PIRATEN auf Erhalt der Schule ablehnen wollte, wurde ein Ersatzantrag von CDU und SPD beschlossen, der aber nicht eindeutig ist. Dem Koalitionszwang folgend hebt mancher Abgeordnete offenbar den Finger, nicht aus sachlichen Erwägungen, sondern aus Opportunismus.

Apropos Öffentlichkeit. Die oben erwähnten Anwesenden waren ja gekommen, um die 1400 gesammelten Unterschriften zu übergeben und die Bürgerfragestunde für ihre Fragen zu nutzen. Die Dezernentin, Frau Scholz, sah aber keine Veranlassung die Fragen zu beantworten und verwies auf die anstehende Tagesordnung der Ausschusssitzung. Mit der beginnenden Beratung im Ausschuss darf kein Bürger mehr das Wort ergreifen. So blieb der Dialog zwischen Bürger und Volksvertreter aus. 

Unbeantwortet blieben folgende Fragen: 

  1. "Die CvO leistet engagierte und anerkannte Arbeit und hat mittlerweile ein spezielles Profil für Sek.I-Abgänger im Gesamtschul-/Realschulbereich entwickelt. Warum schickt die Stadt diese Schule in den unsäglichen und belastenden Zustand, ohne klare bauliche Perspektive um Neuanmeldungen werben zu müssen?"
  2. "Wenn laut Auskunft von Frau Scholz erst 2014 die Entscheidung über Neuausbau oder Schließung der CvO fallen soll, kann die CvO bereits zu Anfang 2013 nicht mehr mit Neuanmeldungen für 2013/14 rechnen. Die Verschiebung der Entscheidung sorgt somit für eine klare Lenkung der Schülerströme hin zu baulich abgesicherten Schulen. Will die Stadt auf diese Weise vollendete Tatsachen schaffen?"
  3. "Möchte die Stadt Wiesbaden die CvO durch die Verweigerung einzustellender Planungsmittel im Haushaltsplan 2012 erst in das Abseits und dann in die Schließung schieben?"

Völlig ignoriert wurde der Umgang mit den notwendigen pädagogischen Aufgaben 

  • die Qualität der pädagogischen Arbeit und des besonderen Zuschnitts auf bestimmte Schülergruppen in der CvO,
  • die tolerante, an der Eigenständigkeit der SchülerInnen interessierte, am Namensgeber orientierte Atmosphäre im Alltag der Schule (vgl. hierzu den Beitrag auf der Homepage zum Führungskonzept der Martin Niemöller Schule)
  • die Notwendigkeit des Beharrens auf dem Erhalt des Angebotes zweier Oberstufengymnasien für die Bürger und Bürgerinnen in Wiesbaden, 
  • Aufrechterhaltung dieses Angebots für die SchülerInnen aus dem Rheingau-Taunus auch in Zukunft (Diese könnten nach der Schließung der Carl-von-Ossietzky-Schule nicht mehr in Wiesbaden aufgenommen werden), 
  • der wachsende Bedarf an Kapazitäten für SchülerInnen aus Realschulen und Gesamtschulen ohne Oberstufe, 
  • dass angesichts der Tendenz, dass Eltern zunehmend ein Gesamtschulangebot für ihre Kinder wünschen, für weitere Oberstufenkapazitäten in Wiesbaden gesorgt werden muss.

Wieder eine verspielte Chance in Sachen Demokratie. Wieder eine verpasste Chance in Sachen Dialog. Wieder eine verpasste Chance in Sachen Schulpolitik für alle.

Die SPD, die GRÜNEN und die LINKE&PIRATEN zusammen hätten mit ihrer Mehrheit diese für den Erhalt der Schule einsetzen können. Es besteht aber keine Hoffnung, solange die SPD sich nicht aus der Koalition mit der CDU löst und zu ihren Wahlversprechen steht.

Die GEW ist der Auffassung, dass die Bürgerinnen und Bürger Wiesbadens im Verein mit allen demokratischen Verbänden und Initiativen (Elterninitiativen, Stadtschülerrat, Gewerkschaften etc.) verhindern müssen, dass die Stadtregierung die Zusammenlegung der Oberstufengymnasien als einen Beitrag zu ihren drastischen Kostenkürzungen im öffentlichen Bereich - man denke an das Totschlagargument von der legendären Schuldenbremse - zu Lasten der Eltern und SchülerInnen wieder einmal durchsetzt. Das ist keine Qualitätssicherung im Bildungswesen der Stadt und schon erst recht keine Zukunftsinvestition im Sinne der jungen Generation in Wiesbaden.

Das ist Kostenminimierung im Bildungssektor in bester spätkapitalistischer Manier, sonst nichts!