Wer hat eine neue Krisen-Kommunikationsanlage in der Schule?

Der sollte jetzt weiterlesen!

Aus der WLZ

Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Wiesbaden vom 13.9.2017 hat jede Schule das Recht und die Möglichkeit, nachfolgende Vereinbarung mit der Stadt Wiesbaden abzuschließen. Das Gericht hat festgestellt, dass sich: „die Beteiligten (…) darüber einig (sind), dass auch allen anderen, am Verfahren nicht beteiligten, Schulen eine Verpflichtungsvereinbarung (…) jeweils mit Unterschrift von Seiten der Stadt Wiesbaden an die Schulleiter zugeleitet wird“, wenn die Schulen oder die Personalräte der Schule dies einfordern.

Die vollständige „Verpflichtungsvereinabarung“ finden Leserinnen und Leser auf Seite 15 unter diesem Artikel.

Diese Vereinbarung ist der Garant dafür, dass aus einer Krisen- Kommunikationsanlage nur die Kommunikation mit der Polizei und der Feuerwehr und Durchsagen der Schulleitung ermöglicht werden.

Vor dieser gerichtlichen Entscheidung wurde viele Jahre darüber gestritten. Hintergrund ist, dass die Anlage technisch ermöglicht, in jedes Klassenzimmer per Mikrophon - ohne Wissen der Lehrer und Schüler durch die Betreiber der Anlage oder deren Beauftragte - hineinzuhören. Eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle der Lehrer wäre so möglich gewesen. Eingebaut sind diese Kommunikationsanlagen in Wiesbadener Schulen, insbesondere an vielen Gymnasien. 

Das Staatliche Schulamt behauptete, dass diese Anlagen kein Mitbestimmungsrecht auslösen würden. Nicht etwa, weil die Abhörfunktion bestritten wurde, sondern weil die Anlage von jemand anderem, nämlich der Stadt Wiesbaden, eingebaut worden sei. Dies sei außerhalb der eigenen Zuständigkeit.

Diese Ansicht und Argumentation wies das Gericht mit dem oben genannten Beschluss zurück.  Es ging sogar darüber hinaus. Das Gericht vertrat die Auffassung, dass eine solche Anlage rein rechtlich gesehen so zu programmieren ist, dass eine Verhaltens– und Leistungskontrolle ausgeschlossen ist. Das Gericht knüpft damit an seine schon in einem ersten Verfahren vertretene Position an. Diese geht davon aus, dass bereits der Einbau der Anlage gegen das Schulgesetz verstößt, da die Rechtsgrundlage fehle.  Selbst der Kultusminister kam 2016 zu dem Schluss: „Im Übrigen ist die Frage nach einer Rechtsgrundlage für eine Kommunikationsanlage an Schulen im hessischen Schulgesetz zu verneinen.“ Aus diesem Grund hat das Gericht dem Staatlichen Schulamt - für den Fall, dass eine andere Funktionalität als die in der unten abgedruckten Vereinbarung erlaubten genutzt werde - auferlegt sicherzustellen: „... dass jede andere abweichende Regelung sicherstellen muss, dass eine Verhalts- und Leistungskontrolle auf jeden Fall ausgeschlossen ist“.

Mit dem Gerichtsbeschluss und der Klarstellung durch das Gericht ist für den Gesamtpersonalrat die Sache erledigt. Eine Mitbestimmung zu einer an Schulen rechtlich nicht zulässigen Anlage ist nur insoweit möglich, als das dadurch genau diese unzulässige Leistungs- und Verhaltenskontrolle ausgeschlossen wird. Da dies aber durch den GPRLL und einen mutigen und streitbaren örtlichen Personalrat eines Wiesbadener Gymnasiums bereits über einen Gerichtsbeschluss durchgesetzt wurde, bedarf es keiner weiteren Regelung.

Die Vereinbarung verhindert klar und deutlich jeden Missbrauch und gestattet den Gebrauch durch die Polizei.

Es ist jetzt jeder Schule überlassen, ob dieser Gerichtsbeschluss und die Möglichkeit einer Vereinbarung mit der Stadt als ausreichender Schutz angesehen werden. Rechtlich wurde klargestellt, dass die passive Haltung des Staatlichen Schulamtes gegenüber den Maßnahmen der Stadt nicht möglich ist. Maßnahmen an Schulgebäuden mit klar erkennbaren Auswirkungen auf die Lehrkräfte müssen auch unter dem Aspekt der Beteiligung der Schulpersonalräte Beachtung finden. Dafür Sorge zu tragen, ist Aufgabe des Staatlichen Schulamtes gegenüber der Stadt Wiesbaden.

Rechtlich wurde der Stadt Wiesbaden deutlich, dass auch sie als Schulträger gut beraten ist, die mitbestimmungsrechtlichen Fragen und die Beteiligung der Schulpersonalräte zu beachten. Und sei es nur, um aus ihren teuren Anschaffungen keine unsinnigen Investitionen zu machen. In diesem Fall eben durch den Kauf einer vollkommen überdimensionierten Krisen- und Kommunikationsanlage, die pro Schule mehr als 100.000 Euro gekostet hat und nun als Telefonanlage für einen Notruf zu Polizei und Feuerwehr genutzt wird.

Politisch dürfte jetzt klar sein, dass, selbst wenn die Schulen nicht individuell die Vereinbarung anfordern und diese unterschrieben wissen wollen, jede Programmierung der Anlage sich genau in dem vom Gericht vorgeschlagenen und von den Beteiligten angenommenen Rahmen zu halten hat. Jede Überschreitung dieses Rahmen würde neue Verfahren und das Einfordern der Vereinbarung zur Folge haben.

(Dieser Beitrag wurde ursprünglich in der WLZ 2, 2017 veröffentlicht)

Weitere Informationen für Interessierte liefern die folgenden Anhänge:

Nichts als Krise, April 2017

Mitbestimmung in Zeiten der Angst, aus HLZ 3 (März, 2017)

Urteil des Verwaltungsgerichts Wiesbaden, September 2017

Verpflichtungserklärung der Landeshauptstadt Wiesbaden, September 2017