PPP ist für die ortsansässigen Handwerker eine Katastrophe

Das 7. Wiesbadener Bildungsgespräch der GEW erwies sich als äußerst informativ.

Ruth Storn (GEW Kreisverband Offenbach-Land) informierte über die PPP-Projekte im Kreis Offenbach. 89 Schulen wurden von Hochtief und SKE* saniert und für 15 Jahre bewirtschaftet. Dafür zahlt der Kreis 52 Millionen Euro Miete pro Jahr. Mittlerweile zahlt der Kreis jedoch durch pädagogisch notwendige Umbau- und Erweiterungsmaßnahmen, wie Mensen, Medienräume, etc. jährlich 74 Millionen Euro Miete an die Betreiber. Statt der kalkulierten und für die Vergabe als PPP-Model beschlossenen 780 Millionen Euro stiegen die Gesamtkosten mittlerweile auf 960 Millionen Euro und dies bereits nach acht Jahren Laufzeit. Weitere Kostensteigerungen sind zu erwarten. Alleine für das Vertragswerk haben die Beratungsfirmen für das PPP-Projekt im Kreis Offenbach mehrere Millionen erhalten.

Résumé: Eine Kostenexplosion wie von den Kritikern des PPP-Projektes erwartet. Eine Laufzeit von 15 Jahren ist viel zu lang. Gerade im schulischen Bereich sind aus pädagogischen Gründen häufige Anpassungen der Räumlichkeiten notwendig, die Qualität der Bauten scheint auf die Laufzeit des PPP Vertrages zugeschnitten(!). Die Schulen sind durch den Betreiber bedingt (es gibt keine Hausmeister der Kommune mehr) für Schüler, Eltern, Vereine etc. nur noch eingeschränkt in den Stunden nach 17:00 Uhr nutzbar, bei den Bauämtern des Kreises wurde Personal abgebaut. Durch die Kostensteigerungen von 52 Millionen Euro auf jetzt 74 Millionen Euro wurden Mittelzuweisungen für die Schulen gekürzt! Bei Insolvenz der Betreiber, kann keine Haftung mehr geltend gemacht werden. Die an den PPP Projekten beteiligten Beratungsfirmen haben ein großes Interesse an der Vermittlung und Einfädelung von PPP-Projekten, weil hier Millionensummen an Beratungskosten entstehen. Nicht das Interesse der Kommunen steht dort im Vordergrund, sondern das Interesse der Investoren, Gewinne zu erzielen.

Herbert Storn (GEW Bezirksverband Frankfurt) berichtete über die Situation an einer großen IGS in Frankfurt. Dort wurde ein PPP-Vertrag über 30 Jahre (!) abgeschlossen. Die ursprünglich erwarteten Gesamtkosten von 27 Millionen Euro stiegen dort mittlerweile auf 67 Millionen Euro für die Stadt. Leider würden die GRÜNEN in Frankfurt immer noch weiter auf PPP-Projekte setzen. Bemerkenswert sei, dass die PPP-Gegner in Frankfurt von der FAZ eine publizistische Unterstützung erhalten. Auch bei den PPP-Projekten in Frankfurt kommen, wie in Offenbach, nur große international aufgestellte Firmen beim Bau und der Bewirtschaftung der Projekte zum Zuge. Die örtlichen Firmen stehen weitestgehend außen vor.

Michael Göttenauer (Stadtverordneter Linke/Piraten Wiesbaden) informierte über das z.Zt. geplante Investitionsvolumen in der Stadt Wiesbaden für Schulen, Hortneubauten und Erweiterungen von ca. 62 Millionen Euro. Die neugegründete Stadtgesellschaft WIBau soll die ersten stadtinternen PPP-Projekte umsetzen (Motto: "Mieten macht Schule") Das erste Projekt ist die Comeniusschule. Über einen Zeitraum von 30 (!) Jahren mietet die Stadt die Schule von der WIBau. Der Neubau wird dadurch ca. 1,5 Millionen Euro teurer. Da in Wiesbaden ein Schulsanierungsrückstau von insgesamt 120 Millionen Euro besteht, ist davon auszugehen, dass auch klassische PPP-Projekte über Investoren dort zum Zuge kommen sollen.

Herr Siegfried Huhle (Geschäftsführer der Huhle Stahl- und Metallbau GmbH und Vorsitzender der Kreishandwerkerschaft Wiesbaden) betonte die Wichtigkeit für seine und andere Handwerksfirmen, dass die Stadt weiterhin Aufträge an sie vergibt und damit die Wertschöpfung innerhalb der örtlichen Kreishandwerkerschaft belässt. Die örtlichen Unternehmen zahlen hier ihre Steuern, bilden Nachwuchs aus und kümmern sich um das Gemeinwesen. Auf Firmen vor Ort hat die Stadt auch schnellen und direkten Zugriff wenn es mal Probleme geben sollte.

Zum Thema Stadtmuseum und dem Verkauf des Grundstückes an einen Investor sieht Herr Huhle nur Nachteile für die Stadt und ihre Bürger. Wenn die Stadt selbst bauen würde, zahlt sie heute nur 0,5 Prozent(!) Zinsen (Auf Nachfrage wurde dieser Zinssatz von Herrn Huhle bestätigt. Sowohl der OB Müller als auch Verantwortliche bei der NASPA hätten ihm gegenüber diesen niedrigen Zinssatz bestätigt). Ein Museum muss für wechselnde Ausstellungen häufiger umgebaut werden. Das lässt sich bei einem gemieteten Stadtmuseum nur unter erheblichen Mehrkosten realisieren.

Die neuen Rhein-Main-Hallen sollen nicht als PPP-Projekt errichtet werden. Allerdings ist nach seiner Information die Finanzierung für dieses große Projekt noch offen und damit auch die Frage ob nicht doch noch ein Investor mit ins Boot genommen wird. Für den Neubau der Rhein-Main-Hallen forderte er einen Top-Öko-Standard (Passivhaus). Mit diesem in die Zukunft weisenden Standard kann die RMH werben und brauchte sich um eine Auslastung und die Mitbewerber keine Sorgen zu machen.

Herr Huhle berichtete über den Verein "PPP in Hessen und Thüringen e.V." (http://www.ppp-verein.de), dem u.a. der Landrat Walter (Kreis Offenbach) und der bisherige OB Müller und Kämmerer der Stadt Wiesbaden angehörten.

Das Hessische Ministerium für Finanzen fördert über sein "PPP-Kompetenzzentrum Hessen" PPP-Modelle indem es hessischen Kommunen kostenfrei, neutrale (Erst-) Beratungen zu PPP-Projekten von öffentlichem Auftraggeber zu öffentlichem Auftraggeber an. Das Kompetenzzentrum soll allen am PPP-Prozess Interessierten eine Plattform bieten, sich aktiv an der Entwicklung und Gestaltung von PPP in Hessen zu beteiligen. Dem Vorstand des Vereins gehören an:
- Herr Peter Walter, Landrat des Kreises Offenbach, Vorsitzender 
- Herr Dr. Hans-Georg Napp, Landesbank Hessen-Thüringen, stellvertretender Vorsitzender
- Herr Dr. Helmut Georg Müller, Kämmerer der Stadt Wiesbaden, Schatzmeister
- Herr Harald Brandes, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Wiesbaden
- Herr Detlef Knop, Bilfinger Berger AG 
- Herr Dr. Klaus Lippold, Geschäftsführer der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände
- Herr Karl-Christian Schelzke, Geschäftsführer Hessischer Städte- und Gemeindebund
- Herr Dieter Schlempp, Geschäftsführender Direktor des Hessischen Städtetags
(Quelle: verwaltung.hessen.de/irj/HMdF_Internet)

Herr Huhle erklärte zum Abschluss seiner Ausführungen: PPP ist für die örtlichen Handwerker eine Katastrophe! Er forderte ein Verbot von PPP-Projekten für Städte und Gemeinden und für das Land Hessen!

Doro Stöver und Thomas Eilers, beide vom Kreisvorstand der GEW Wiesbaden, moderierten die Veranstaltung. Zu Beginn der Diskussionsrunde informierte Thomas Eilers die Anwesenden über einen Beschluss der KV der GEW Wiesbaden, in dem die Unterstützung für die sich konstituierende "Bürgerinitiative Gemeinwohl wahren - Privatisierung stoppen!" beschlossen worden sei.

Von der Presse waren anwesend: Frau Ingeborg Todt (WK) und Frau Ute Fiedler (FR) (Aus den Notizen von Peter Kubentz, Wiesbaden 10.06.2013)

*Die "SKE-Group" ist ein sogenanntes "Facility Management (FM)". angefangen hat die Hausmeisterfirma 1976 mit der Wartung und Bewirtschaftung von US-Liegenschaften. 1988 ist die Firma in der SKE GmbH aufgegangen und im Jahr 2000 in die französische VINCI S.A. integriert worden. Diese verfügt "über ein internationales Dienstleistungsnetz mit Kompetenzzentren und spezialisierten Niederlassungen in Europa, in den USA und in Afrika". Zu ihrem Leistungssprektrum gehören Gebäude vom Kindergarten bis zur Seniorenresidenz, von der Schule bis zur Universität, von der Turnhalle über Krankenhäuser bis hin zu Verwaltungsgebäuden oder Großprojekten, insbesondere der Nahrungs- und Pharmazeutischen Industrie. Sie "kennen keine Grenzen, wenn es ums Bauen und Sanieren geht, weder in Bezug auf die Größe noch auf die Art der Herausforderung" (www.vinci-facilities.de/wordpress/unternehmen). Sie betreiben alles vom Hausmeisterservice, Bau- und Sanierungsprojekte, deren Konzeption, Planung, Erstellung und den Betrieb von Öffentlich-Privaten Partnerschaften (www.ske.eu).