Neuorientierung in der Sonderpädagogischen Förderung

und Aushebelung von Mitbestimmungsrechten

Stellungnahme des Gesamtpersonalrats Wiesbaden/Rheingau-Taunus-Kreis zur geplanten Strukturveränderung der Beratungs-und Förderzentren im Schulaufsichtsbezirk Wiesbaden-Rheingau-Taunus-Kreis

Das seit dem Sommer 2011 gültige hessische Schulgesetz sieht vor, dass die Sonderpädagogische Förderung in Zukunft durch die Beratungs- und Förderzentren (BFZ) organisiert wird. Die Verordnung, die die nähere Ausführung dieser Vorgaben regelt, wird aber nicht vor März/ April erscheinen, was für die praktischen Abläufe in Hinblick auf die Sonderpädagogische Förderung in den Schulen zur Zeit große Probleme aufwirft. 

Die Schulämter gehen mit der Vorgabe, dass den BFZ eine zentrale Steuerungsfunktion im gesamten Bereich der Sonderpädagogischen Förderung zukommen soll, durchaus unterschiedlich um. Im SSA WI/RTK soll zum Schuljahr 2012/13 eine Umstrukturierung der Organisation und Aufgabenbereiche der BFZ im Schulaufsichtsbereich umgesetzt werden, die für alle beteiligten Schulen, den GPRLL und die betroffenen Kolleginnen und Kollegen völlig überraschend Ende September in einer Schulleiterdienstversammlung verkündet wurde. Schlagworte dazu waren von Seiten des Amtes „Bündelung von Ressourcen“ und „Sonderpädagogik aus einer Hand“. (Der GPRLL vermutet eher Sparzwänge und die Verlockung, Lehrkräfte unkompliziert zu verschieben, dahinter). Demzufolge wird es im SSA in Zukunft in Wiesbaden nur noch 2 regionale BFZ geben, eines für die Arbeit mit allen Grundschulen, eines für die SEK I zuständig. Die bisherigen Bereiche der Sonderpädagogischen Förderung „Dezentrale Erziehungshilfe“, „Gemeinsamer Unterricht“, „Sprachheilklassen“ und „BFZ-Lehrkräfte“ sollen in den neuen BFZ gebündelt werden. Diese „Bündelung von Ressourcen“ bedeutet konkret, dass einige Förderschulen ihr BFZ verlieren und Lehrkräfte in beträchtlichem Umfang versetzt oder abgeordnet werden müssen.

Wie mittlerweile feststeht, soll in Wiesbaden die Albert–Schweitzer–Schule zuständig für die Grundschulen sowie die Comeniusschule zuständig für die SEK I-Schulen sein. Die August-Hermann-Francke-Schule wird ihr BFZ verlieren. Die DEH, gerade erst eingeführt, soll vermutlich im SEK I-BFZ der Comeniusschule aufgehen.

Im Rheingau-Taunus-Kreis wird die Leopold-Bausinger-Schule regionales BFZ für den Rheingau bleiben, wer das weitere BFZ werden soll steht noch nicht fest. Die BFZ der Max-Kirmse-Schule und der Janusz-Korczak-Schule sind in Frage gestellt. 

Daneben wird es noch fachliche bzw. überregionale BFZ geben (Bodelschwinghschule, Brückenschule, Helen-Keller-Schule).

Zum Vergleich: Bis jetzt gab es in Wiesbaden und im RTK mehrere regionale BFZ, ihre Zuständigkeiten für die Regelschulen waren 2007 neu festgelegt worden, die Zusammenarbeit mit den Schulen hatte sich eingespielt, Netzwerke waren entstanden, Kolleginnen und Kollegen waren durch langjährige, intensive Arbeit mit ihren Schulen verbunden. Dies alles wird jetzt wieder grundlegend verändert, was bei denjenigen, die diese Veränderung umsetzen müssen, für große Verärgerunggesorgt hat. (siehe Stellungnahme der Personalversammlung der Comeniusschule)

Die Entscheidung des SSA, so zu verfahren, wirft viele Fragen auf: Was wird aus den Förderschulen, die ihr BFZ verlieren? Wie soll ein einzelnes BFZ alle Grundschulen/Sekundarschulen einer Stadt/eines Landkreises versorgen? Wie hoch wird der Stellenumfang für die BFZ sein? Wie sollen die personellen „Ressourcen“ (Kolleginnen und Kollegen) auf die zwei verbleibenden BFZ und die fachlichen BFZ verteilt werden? Werden die betroffenen Lehrkräfte nach ihren Wünschen gefragt oder werden diese Lehrkräfte "zwangsversetzt"? (Viele werden die Versetzung von Kolleginnen und Kollegen aus den Sprachheilklassen an die Helen-Keller-Schule noch in unguter Erinnerung haben)

Diese Vorgehensweise ist aber nicht nur aus fachlicher, sondern auch aus Sicht der Mitbestimmungsgremien bedenklich: In der Vergangenheit wurde der Gesamtpersonalrat, aber in gewissen Umfang auch die beteiligten Schulen/Schulpersonalräte/Gremien im Vorfeld in Veränderungen einbezogen. Diesmal waren Planungen geheim, wurden die Schulen vor vollendete Tatsachen gestellt, der GPRLL als Gremium nicht informiert, geschweige denn beteiligt. Die Folge davon sind demotivierte Kolleginnen und Kollegen; Angst vor Versetzungen und Unmut aufgrund der unklaren Situationen an den Schulen greifen um sich. 

Nicht beantwortet werden konnte bis jetzt die Frage, warum die bestehenden BFZ - Zuständigkeiten überhaupt so grundlegend verändert werden sollen und vor allem: Warum die Planungen nicht von Anfang an offen gelegt wurden. 

Der Aufbau einer sonderpädagogischen Grundversorgung an Regelschulen mit Beratungs- und Fördermöglichkeiten vor Ort rückt mit dieser geplanten Zentralisierung in weite Ferne; fragwürdig in einer Stadt Wiesbaden, die gerade einen öffentlich sehr beachteten „Inklusionspreis“ gewonnen hat und in dieser Hinsicht ehrgeizige Ziele verfolgt. 

Der GPRLL wird in nächster Zeit versuchen, durch beharrliches Nachfragen dafür zu sorgen, dass wenigstens alle wichtigen Informationen und Abläufe der Umstrukturierung offengelegt werden und sein Informations- und mögliches Beteiligungsrecht gewahrt bleibt. 

Im Bereich der Dezentralen Erziehungshilfe wird es ein Stufen/Beschlussverfahren geben, in dessen Verlauf geklärt werden soll, ob der Einsatz der DEH - Lehrkräfte an Regelschulen als Abordnung zu betrachten ist, so wie es auch im Hessischen Personalvertretungsgesetz definiert ist. Hier geht es darum, die Mitbestimmung durch die Personalräte zu sichern, damit die Kolleginnen und Kollegen nicht ohne ihr Einverständnis an ihren Einsatzschulen arbeiten.