LeserInnenbrief

zu dem Artikel "Bildungschancen in Wiesbaden" im Wiesbadener Kurier vom 14.8.08

Diese Untersuchung zu den Bildungschancen von Kindern aus sozial schwach gestellten Familien, die jetzt veröffentlicht wird, hat die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft bereits Anfang des Jahres zur Kenntnis genommen. In einer öffentlichen Veranstaltung vor der Landtagswahl im Januar 2008 hat Herr Axel Schulze, der an der Studie mitgewirkt hat, die Ergebnisse vorgestellt. Die eingeladenen VertreterInnen der Parteien konnten sich zu dem Themengebiet äußern und ihre Vorschläge zur Veränderung der Bildungspolitik ausführen. 

Unter den anwesenden Lehrern und Lehrerinnen fanden die Ergebnisse der Studie große Zustimmung. Die tägliche Erfahrung der Praktiker und Praktikerinnen im Schulwesen muss den Studienergebnissen recht geben. Den gedanklichen Überschlag, der sich in dem Kommentar zu dem Artikel findet, den können die Lehrerinnen und Lehrer nicht nachvollziehen. Wer den Lehrkräften unterstellt, sie würden Kinder aus finanziell schlecht gestellten Elternhäusern bei der Notengebung benachteiligen, der gibt dem Überbringer der schlechten Nachricht die Schuld an der Misere, anstatt auf die eigentlichen Ursachen zu schauen. Die Lehrerinnen und Lehrer stehen vor immer größer werdenden Klassen. In der Grundschule ist die Höchstgrenze erst bei 28 Kindern erreicht. Natürlich gibt es den Auftrag, jedes Kind individuell in seinen Begabungen zu unterstützen und Defizite durch Fördermaßnahmen zu kompensieren. Darum bemühen sich die Lehrkräfte jeden Tag und zwar trotz immer weiter reduzierten Förderstunden, Kürzungen der Beratungszeiten durch SonderpädagogInnen und wachsenden Aufgaben für die LehrerInnen in Bezug auf Verwaltung und Bürokratie. Die Förderung wird damit mehr und mehr in die Hände der Eltern gelegt. Nachhilfe schon ab der 2. Klasse, Ergotherapie, Hausaufgabenbetreuung zusätzlich zum Hort, Legasthenietherapie … alles notwendige Maßnahmen für den besseren Schulerfolg, die in die Nachmittagsstunden verlegt und dadurch von dem Engagement und nicht zuletzt von dem finanziellen Einsatz der Eltern abhängig werden. 

Dass der Sozialdezernent Arno Goßmann sich angesprochen fühlt, können wir nur begrüßen. Die Ausstattung der Grundschulen ist in der reichen Stadt Wiesbaden oft dürftig. Hier kann noch viel bewegt werden. Die Lehrer und Lehrerinnen freuen sich schon auf die Initiativen und Unterstützungen der Stadt Wiesbaden, die jetzt anlaufen können. 

Ute Harlos