Lernstandserhebungen in der Grundschule

GEW übt massive Kritik

Frankfurt (GEW): Die gerade laufenden Lernstandserhebungen in den 3. Klassen übertreffen die ärgsten Befürchtungen der Grundschulkolleginnen und -kollegen.

Man wusste, dass in diesem Jahr, dem 7. Jahr der landesweiten Überprüfungen, andere, nämlich von der Kultusministerkonferenz vorgegebene Arbeiten gestellt würden. Doch mit diesem „Hammer auf die Köpfe der 8jährigen“ (ein Klassenlehrer aus Südhessen) hatte niemand gerechnet. In vielen Protestschreiben, die der Fachgruppe Grundschule der GEW Hessen vorliegen, wird teilweise massive Kritik an den Inhalten und dem Verfahren geübt.

Gemeinsam erklären Engelbert Jennewein, Fachgruppenvorsitzender Grundschule, und Jochen Nagel, Landesvorsitzender der GEW Hessen, dass sie diese berechtigte Kritik teilen.

Die Drittklässler müssen sich an den 3 Tagen durch 8 Seiten Lesetexte (40 Minuten Zeit), 5 Seiten Rechtschreibdiagnose (32 Minuten Zeit) und in 60 Minuten durch 21 lange Seiten Mathematik kämpfen. Die Mathematikarbeit mit dem Teil „Daten, Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit“ dreht sich um Kombinatorik, qualitative Wahrscheinlichkeitsaussagen, Aussagenlogik und Interpretation von Diagrammen, Themen, die in den Mathebüchern – wenn überhaupt – auf maximal 2-4 Seiten abgehandelt wurden. Hier sollen die Kinder auf 12 Seiten 16 Aufgaben lösen, die Stoppuhr im Hintergrund. Im noch gültigen Rahmenplan von Hessen ist dieser Themenbereich überhaupt nicht vorgesehen. 

Es stellt sich die Frage, wer diese qualitativ und quantitativ inakzeptablen Lernstandserhebungen zu verantworten hat und wie das hessische Kultusministerium so etwas unkommentiert weiterleiten kann? Dabei wurde der Zeitraum von der Bekanntgabe der Aufgabenstellungen bis zur Durchführung der Erhebungen so knapp gehalten, dass  aus den Schulen keine Hinweise auf notwendigen Korrekturen möglich waren.

Bisher hatten die Kinder Klassenarbeiten von maximal 30 Minuten zu schreiben. Das entspricht erfahrungsgemäß der Konzentrationsspanne 8jähriger Kinder. Für die Feststellung des „Lernstandes“ werden auch in diesem Jahr diese Werte erneut weit überschritten und dabei wird weder auf Erfahrungen der Lehrkräfte noch auf lernpsychologische Erkenntnisse Rücksicht genommen.

„Diese Diagnosearbeiten unterscheiden sich wesentlich von den bisherigen hessischen Orientierungsarbeiten, sowohl im Umfang als auch in punkto Anforderungen – hier werden Kinder eher „beschämt“ (Rektorin einer Grundschule) und vorgeführt, als deren Leistungsstand fair ermittelt. Es ist eine Überforderung der Kinder und eine Brüskierung der Lehrkräfte, so die Fachgruppe Grundschulen. „Hier werden keine Kompetenzfähigkeiten festgestellt, sondern Leidensfähigkeit der 8jährigen. Als Diagnoseinstrumente sind diese Arbeiten in Umfang und Inhalt völlig unbrauchbar“, erklärte Engelbert Jennewein abschließend.