Information zur Delegiertenversammlung der Fachgruppe Sonderpädagogik

am 6. September 2011 | Frankfurt/Main

Neue Verordnung über sonderpädagogische Beratung und Förderung (VOSB) steht kurz vor der Verabschiedung

Teil 1a der Veranstaltung diente der Information und Diskussion aus aktuellem Anlass:

Das neue Schulgesetzt betrifft auch die Arbeit der Fachgruppen Grundschule und Sonderpädagogik; die neue Verordnung über sonderpädagogische Beratung und Förderung (VOSB) steht kurz vor der Verabschiedung. Höchste Zeit für einen kritischen Blick auf das, was auf eine nennenswerte Anzahl Kinder, Eltern und LehrerInnen zukommen wird.

Johannes Batton ( GEW-KV Witzenhausen, Diplompädagoge und Förderschullehrer) kritisierte vor allem das Ausmaß der geplanten Einsparungen durch die Hessische Landesregierung bei der angekündigten Einführung der Inklusion an hessischen Schulen:

Waren bislang Klassenhöchstgrenzen (20 Schüler/innen in Grundschulklassen, 23 Schüler/innen in weiterführenden Klassen) für Klassen mit GU (Gemeinsamer Unterricht) vorgesehen, so lässt man in der neuen Verordnung diesen Grundsatz kurzerhand fallen. Man wolle schließlich die Einführung der Inklusion kostenneutral halten (Wie bitte: Mehr Chancen für alle also zum Nulltarif?!), so die offizielle Version. Die Tatsachen sind noch übler: Will man künftig Klassen aus pädagogischen Gründen kleiner als üblich halten, wird dies notgedrungen zu Lasten der Parallelklassen gehen.

Das heißt, das Land spart dank der neuen Regelung mehr als 300 Regelschullehrerstellen. So wird das Projekt nicht einmal kostenneutral durchgezogen werden, sondern man hat noch eine billigere Variante ersonnen.

Als wäre es damit immer noch nicht genug mit der Verknappung am falschen Ende, soll die Zuweisung von Stunden für den inklusiven Unterricht durch Förderschullehrkräfte von bisher 5–10 Wochenstunden auf pauschale 4 Wochenstunden sinken. Damit spart Hessen sich auch noch ein paar Förderschullehrer/innen.

Weitere Sparmaßnahmen:

Es ist kein GU mit sonderpädagogischer Unterstützung in Klasse 1 mehr vorgesehen, denn ein Anspruch eines Kindes auf sonderpädagogische Förderung muss erst festgestellt werden, d.h. das Kind muss gezeigt haben, dass es den Ansprüchen des 1. Schuljahres nicht folgen kann. Das bisherige Überprüfungsverfahren entfällt einfach, so dass Diagnostik frühestens im Verlauf des 2. Halbjahres möglich sein wird. Bis dahin sollen sich die Grundschullehrer/innen halt allein behelfen, vollgeladen mit Inklusionsmaßnahmen und größeren Gruppen.

Für Kinder mit geistiger Behinderung wird das beabsichtigte Verfahren vollend unzumutbar – welche Eltern werden ihr Kind in eine solche Regelschulklasse geben wollen?

Eltern geistig behinderter Kinder werden – nolens,volens - wieder über Beschulung in den kleineren Förderschulklassen hergebrachter Art nachdenken müssen und Kinder werden wieder exkludiert wegen fehlender Bereitsstellung ausreichender finanzieller Mittel durch den Staat.

Batton betonte eindringlich, dass hiermit quasi ,,ein Menschenrecht unter Ressourcenvorbehalt’’ gestellt werden soll (VOSB, § 54/4) 

Was ist jetzt zu tun?

  • Öffentlichen Druck über die Verbände herstellen (GEW, VDS, LAG…)
  • Schulen müssen in Zusammenarbeit mit Kindergärten, Frühförderung und Eltern möglichst zeitig den Förderanspruch eines Kindes formulieren um anfallende Mittel (auch personelle) frühestmöglich einzufordern
  • Förderausschüsse müssen rechtzeitig installiert werden

Jochen Nagel betonte an dieser Stelle noch einmal nachdrücklich die GEW –Position: Inklusion braucht Verlässlichkeit und Ressourcen!

Teil 1b Neue Dienstordnung

Die neue Dienstordnung tendiert nach Auffassung der GEW dazu, autoritäres Auslegen der Vorgesetztenposition des/der Schulleiter/innen zu begünstigen. Treten solche Verhältnisse gehäuft auf, kann dies zum Abbau demokratischer Strukturen in den Kollegien führen. Solche Prozesse passieren schleichend über gewisse Zeiträume und werden oft einfach hingenommen.

Befugniserweiterungen für Schulleiter/innen:

  • Er/Sie kann die Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen für Kollegen/innen anordnen
  • Krankenzeiten müssen, auch wenn sie Ferientage betreffen, dem Schulleiter/der Schulleiterin angezeigt werden (Soll die Dienstfähigkeit vielleicht gründlicher erforscht werden??)
  • Schulleiter/innen sind direkte Dienstvorgesetzte
  • Er/Sie kann Schulleiteraufgaben auf andere Kollegen/innen übertragen (z.B. Durchführung der Jahresgespräche; bisher hatten die Lehrer/innen das Recht auf ein Jahresgespräch mit dem Schulleiter/der Schulleiterin oder dessen/deren Stellvertreter/Stellvertreterin/Konrektor(in))
  • Er/Sie kann unangemeldet am Unterricht einzelner Kollegen/Kolleginnen teilnehmen

Einzeln betrachtet wirken diese Maßnahmen noch halbwegs harmlos; als Bündelung, stets einem bestimmten Personenkreis zur Verfügung stehend, können sie durchaus dem Einzug undemokratischer Machtstrukturen quasi durch die Hintertür und in der Aufmachung biederer Verwaltungsreförmchen Vorschub leisten. Dies vor allem, weil das System stets von oben nach unten wirkt: So muss nun das Schulamt zustimmen, wenn ein Schulleiter/eine Schulleiterin aus aktuellem Anlass einen Pressetermin vereinbaren möchte.

Also, Obacht, Kolleginnen und Kollegen

Teil 2 Delegiertenversammlung

Der Rechenschaftsbericht über die letzte Amtsperiode wurde vorgelegt und abgestimmt. Katja Plazikowsky (KV Wiesbaden) gehört ab jetzt dem Vorsitzendenteam der Landesfachgruppe Sonderpädagogik an.