In Schweden gilt ein geflügeltes Wort:

„Ein Kind hat drei Lehrer: Der erste Lehrer sind die anderen Kinder. Der zweite Lehrer ist der Lehrer. Der dritte Lehrer ist der Raum“

Dieses Zitat hat seine Richtigkeit. Das weiß jeder, der sich an seine eigene Schulzeit erinnert, an Sitzordnung in Reihen, an Enge und Stillsitzen, an schmutzige Wände, an unzureichende Raumausstattung. Das weiß auch jeder Lehrer, der von vorneherein auf bestimmte Lernmethoden verzichtet, weil der Raum zu klein ist, die Kinder nicht geübt sind, Tische umzustellen und daher auch nicht gewöhnt sind, miteinander zu lernen. 

Das weiß aber auch derjenige, der das Glück hat, in einem Klassenraum zu unterrichten, in welchem die Schüler vielfältige Materialien und ein bis zwei Laptops  vorfinden, in dem sie sich auch mal zum Nachdenken zurückziehen können, in welchem Schulmöbel stehen, die leicht umgruppierbar sind. 

Wer in einer schönen Schule lernt, fühlt sich wohl. Aber das ist nicht die einzige Aufgabe von Schulräumen. 

Sie sollen für das Lernen im 21. Jahrhundert geeignet sein. Dieses Lernen stellt das problemlösende und handlungsorientierte Lernen der Schüler, nicht das Lehren des Magisters in den Vordergrund. Modernes Lernen ist zum einen Selbstlernen, ungestörtes Nachdenken, selbstständige aktive Auseinandersetzung mit Texten und Materialien.. Ein Beispiel dafür ist das Lernen an Stationen. Für dieses Lernen muss die Schule Zeit und Raum einräumen. 

Kinder und Jugendliche sind aber ebenso auf das Gespräch in der Gruppe angewiesen. Lernen im Gespräch geschieht durch Zuhören, sich artikulieren, Einwände von anderen in die eigene Argumentation einbeziehen, die unterschiedlichen Kenntnisse verschiedener Gesprächsteilnehmer zu einem Ganzen zusammenfügen. Dafür muss es Räume geben, in denen Gruppen arbeiten können. 

Lernen geschieht auch durch Demonstration, z.B. im Experiment, am Beamer, am Smartbaord, beim Rollenspiel. Auch dazu braucht es geeignete Räume und Medien. 

Wie muss ein Raumprogramm für eine solche Schule, in der alle Lernformen ihre Chance haben, aussehen? Es muss genügend Fläche zur Verfügung stehen. Andere Länder sind uns da weit voraus. Zweitens müssen die Räume flexibel gliederbar sein, das Mobiliar muss leicht umstellbar und gruppierbar sein. 

Schule ist aber auch der Ort, an dem Schüler leben. Schule ist sozialer Treffpunkt der Kinder und Jugendlichen. Die Schule muss aus überschaubaren Einheiten bestehen, damit der Einzelne sich aufgehoben und wahrgenommen fühlt. Es braucht Zonen, in welchen die Schüler zeigen können, was sie leisten. Auch Ruhezonen, Spiel- und Sportbereiche sind nötig, gerade heute, wo Kinder an Konzentrationsproblemen und Bewegungsmangel leiden. 

Mit der im Gang befindlichen Umwandlung konventioneller Vormittagsschulen in Ganztagsschulen müssen die Schulplaner in noch radikalerer Weise Schule als Ort gestalten, an dem Kinder und Jugendliche leben. Es braucht Räume, in welchen die Schüler mit Genuss und in Anstand gemeinsam essen können, in Ruhe und ungestört allein arbeiten können, in denen sie produktivem Nichtstun nachgehen können und solche, in denen Projektergebnisse vorgeführt, Feste gefeiert und Gäste einbezogen werden. 

Schule ist drittens ein Ort, vom dem Schüler lernen. Gebäude und Einrichtung müssen Jugendliche bei ihrem Versuch unterstützen, ihr Zusammenleben zu organisieren; sie müssen dem Chaos jugendlicher Entwicklungsprozesse Strukturen entgegensetzen. 

Gestaltung und Ausstattung der Räume müssen einen achtsamen Umgang befördern. Wie häufig produzieren verwahrloste Räume und Einrichtungen Schlamperei und Vandalismus. Ein Schulträger und eine Schulleitung, denen der Zustand der Schülertoiletten nicht genauso wichtig ist wie die Ästhetik des Elternsprechzimmers, verfehlen ihre Aufgaben. 

Das Leben in der Schule soll zu Nachhaltigkeit erziehen. Bauweise und technische Ausstattung müssen einen verantwortungsbewussten Umgang mit Energie und Wasser ermöglichen und nicht der Vergeudung Vorschub leisten. 

Auch ästhetische Bildung ist nur möglich an einem Ort, der durch Licht, Farbe, Formen, Material die Sinne positiv affiziert. 

Und auch eine barrierefreie Schule ist eine zentrale Aufgabe nach der Unterzeichnung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen. Da ist die Modellregion für Inklusion Wiesbaden besonders gefordert. Klassenräume müssen möglichst schallarm gestaltet und gut ausgeleuchtet werden, um hörgeschädigten Lernenden - und auch den anderen Schülern - eine lernförderliche Umgebung zu ermöglichen. Auch sehgeschädigte Jugendliche brauchen eine gute Akustik und Orientierungshilfen im Schulgebäude. 

2009 organisierte das Netzwerk „Archiv der Zukunft“, das von dem Journalisten Reinhard Kahl gegründet wurde, einen Kongress in Münster zum Thema Erneuerung von Schulen und anderen Bildungshäusern. In der Münsteraner Erklärung heißt es und damit will ich schließen: 

„Die Schönheit von Schulen und anderen Bildungshäusern ist nicht bloß „Kunst am Bau“, ist kein pädagogisches „Schöner Wohnen“ und schon gar keine „Kuschelpädagogik“. Ihre Schönheit ist Ausdruck unserer Haltung gegenüber Kindern. Schönheit ist ansteckend, Verwahrlosung auch.