IGS-Ratschlag

Presseerklärung (1.6.08)

Treffen der 6 Integrierten Gesamtschulen in Wiesbaden

30 Kinder in einer Klasse?

In der vergangenen Woche hat die GEW Wiesbaden Vertreter der 6 Integrierten Gesamtschulen eingeladen. In der Ludwig-Erhard-Schule trafen sich Schulleiter und Schulleiterinnen, Abgesandte der Personal- und Elternvertretungen. Gleich der erste Meinungsaustausch zeigte die Empörung über das Vorgehen der Landesregierung.

Die Integrierten Gesamtschulen werden durch Verfügung des Hessischen Kultusministeriums und die Anweisung des Staatlichen Schulamtes gezwungen, im Schuljahr 08/09 in den 5. Klassen jeweils 30 Kinder aufzunehmen. Eine Höchstgrenze von 27 Kindern ist festgelegt, dazu kommt die Möglichkeit in Notfällen um 10 % aufzustocken. Zum kommenden Schuljahr wird jedoch die Lehrerzuweisung schon so berechnet, dass in allen Klassen an den Integrierten Gesamtschulen 30 Schülerinnen und Schüler unterrichtet werden müssen. Auf diese Weise wurde der Notfall zum Regelfall erklärt. 

Diese Erhöhung der Klassenfrequenz durch die Hintertür kann nicht geduldet werden. 

In keiner Klasse sollten mehr als 25 Schülerinnen und Schüler sitzen. Die pädagogischen Leitvorstellungen des integrierten Bildungsganges erfordern eine ständige und sehr flexible Differenzierung in Bezug auf jedes einzelne Kind. Das ist mit 30 Schülerinnen und Schülern nicht mehr zu schaffen. Hiermit sind auch die engagierte Lehrerin und der Lehrer überfordert. In diesem Zusammenhang wurden Untersuchungen zitiert, die herausgefunden haben, wie stark die Berufsgruppe der Lehrer und Lehrerinnen von Erkrankungen bedroht ist, die durch Überforderungen und Stress hervorgerufen werden. 

An der Gesamtschule werden alle 30 Kinder, die in der 5. Klasse aufgenommen wurden, auch bis zum 9. Schuljahr unterrichtet. Es gibt nicht das Mittel der Selektion, das das dreigliedrige Schulsystem als Möglichkeit der Reduzierung der Schülerzahl hat. Die Zusammensetzung der Schülerschaft ist selbstverständlich heterogen – das ist die gewollte Ausgangslage der 5. Klasse einer Gesamtschule. Hier treffen sich Kinder aus den verschiedensten Herkunftsländern und Herkunftsfamilien, um einen für unsere Gesellschaft solidarischen Umgang miteinander einzuüben oder – wie in der Grundschule gelernt – fortzusetzen.. 

Übrigens ist die IGS bei den momentanen bildungspolitischen Maßnahmen eine wichtige Größe: nur an einer IGS kann das Abitur ohne Klassenwiederholung in 9 Jahren erreicht werden. Der allgemein beklagte Stress durch G8 entfällt für Kinder und Eltern. 

Dennoch: Auch hier sind die Klassenräume in der Regel nicht für 31 Personen konzipiert. Die Raumluft ist nach kurzer Zeit verbraucht, die Kinder können sich kaum länger als 15 Minuten konzentrieren und klagen über Kopfschmerzen. 

In den Schulen sollte untersucht werden, ob die Richtlinien zur Gesundheitserhaltung am Arbeitsplatz überhaupt noch eingehalten werden können. Das betrifft Kinder und Lehrkräfte gleichermaßen. In diesem Zusammenhang wird die Stadt Wiesbaden als Schulträger in die Pflicht genommen werden. 

Positiv zu vermerken ist, dass die Ludwig-Erhard-Schule in eine Integrierte Gesamtschule umgewandelt wird. Diese Möglichkeit sollte jeder Schule offen stehen, die nach einem integrierten Modell arbeiten will.

Für den Herbst planen die Gesamtschulen Wiesbadens ein gemeinsames Treffen, einen Markt der Möglichkeiten. Sie wollen sich in Zukunft regelmäßig treffen ihre Zusammenarbeit aktivieren und ihre gemeinsamen Interessen nach außen stärker vertreten.

 

In der Frankfurter Rundschau vom 11.6.08 ist diese Presseerklärung unter der Überschrift "GEW will kleinere Klassen" erschienen.