Hauptrollen in Hessen zu vergeben!

Sind wir seit neuestem Regisseure, die im Unterricht vom bequemen Stuhl aus Unterricht moderieren, dirigieren, Anweisungen geben?

Vor den Sommerferien konnte man in den Tageszeitungen oder auf Reklamewänden etwas sehen, was auf den ersten Blick eine Ikea- Werbung zu sein schien. Fünf schwarz- weiße Regiestühle blicken ins nirgendwo, als Überschrift lasen wir „Hauptrollen in Hessen zu vergeben“, rechts prangte das Wappen mit dem Hessenlöwen mit der Losung „Lehrer nach Hessen“ – d.h., bei näherem Hinsehen entpuppten sich diese Inserate als Werbung für den Einstieg in den hessischen Schuldienst. Wer aufmerksam las, dem stellten sich dann doch einige Fragen:

Sind wir seit neuestem Regisseure, die im Unterricht vom bequemen Stuhl aus Unterricht moderieren, dirigieren, Anweisungen geben?

Oder spielen die Fächernamen, die auf den Stühlen stehen, die Hauptrollen?

Was bedeutet „Hauptrolle“? Ist dies eine Assoziation zur Arbeit an der mittlerweile sterbenden, ungeliebten Hauptschule oder sollen wir tatsächlich, gesellschaftlich gesehen, Hauptrollen spielen?

Ist uns Kolleginnen und Kollegen da etwas Wichtiges entgangen? Unterschätzen wir uns gar?

Werden nur Lehrer, d.h. Männer eingestellt? („Lehrer nach Hessen“. Gibt es am Hessischen Kultusministerium eine Gleichstellungsbeauftragte/ Frauenbeauftragte? Was sagt sie denn zum Text dieser Kampagne?

Und vor allem:

Was ist jetzt nach den Ferien daraus geworden?
Die Anzeige richtete sich an sogenannte „Quereinsteiger“, d.h. Menschen, die ein bestimmtes Fach studiert, aber keine pädagogische Ausbildung haben.

Als erstes kann man feststellen, dass – wie so oft in den letzten Jahren – wieder einmal etwas losgetreten wurde, was man bei näherer Betrachtung als Fehlgriff bezeichne muss. Weder wurde für die Einstellung dieser Personen eine Rechtsgrundlage geschaffen (die beabsichtigte, unbefristete Einstellung widerspricht dem hessischen Einstellungserlass) noch wurde vorab geklärt, wie eine pädagogische und fachdidaktische Qualifizierung der Quereinsteiger zu leisten wäre. Zudem wurden die Mitbestimmungsrechte des Hauptpersonalrats erneut missachtet, indem er nicht einbezogen war. (Auch die örtlichen Personalräte haben im konkreten Einstellungsfall ein Mitbestimmungsrecht!)

Inzwischen hat das HKM zurückgerudert – Bewerber und Bewerberinnen werden jetzt mit einem Halbjahresvertrag eingestellt, Bei „Bewährung“ können sie einen weiteren, auf zwei Jahre angelegten Vertrag bekommen; in dieser Zeit soll in einer Verordnung, die in Vorbereitung ist, festgelegt werden, wie die pädagogische Qualifizierung vonstatten gehen soll. Dieses Vorgehen zeugt nicht gerade von Umsichtigkeit oder vorausschauender Planung!

 

Festzustellen bleibt, dass auch mit den Hoffnungen der Quereinsteiger Schindluder getrieben wurde; es wurden Erwartungen geweckt, die so nicht einzulösen sind. 

Und für die Schulen bleibt alles beim Alten: Sich auch in diesem Schuljahr mit unsinnigen Vorgaben, nicht einzuhaltenden Versprechungen und skandalösen räumlichen, personellen und pädagogischen Problemen herumärgern zu müssen.