Gefährliche Klassenräume

Ein Schülerzeitungsartikel über die Schadstoffe an der Martin-Luther-Schule Rimbach mit freundlicher Genehmigung der Autorin.

Ein langer Schultag – acht Stunden in stickigen Räumen gesessen, jetzt, auf dem Heimweg: Kopfschmerzen. Vorhin, im Unterricht, von Müdigkeit geplagt (wer kennt das nicht, wenn man  mit aller Macht gegen den Drang kämpft, den Kopf auf den Tisch zu legen und ein Weilchen die Augen zu schließen). Jemand muss wegen heftigem Nasenbluten eine Klausur abbrechen, ein anderer geht nach der vierten Stunde wegen Übelkeit nach Hause. Der nächste sitzt mit brennenden Augen im Englischunterricht, ein Sanitäter wird gerufen, weil jemandem schwindlig ist. Lehrer haben mit teilweise extrem unkonzentrierten Klassen zu „kämpfen”, viele Schüler sind erkältet.

Soweit zu den „normalen” Schülerproblemen (und manchen Lehrern geht es vielleicht genauso). Lange Schultage, spätes zu Bett gehen, Stress (sei es durch Schule oder Freizeit), frühes Aufstehen – das sind die weit verbreiteten Ursachen. Die bekanntesten – aber auch die einzigen? 

Im Sommer 2007 wurde in Teilen der Schule ein neuer Boden verlegt, der Synthese-Kautschuk-Boden objectflor® - SaarFloor Diamant.

Den meisten Schülern fiel der „Gestank” des neuen Bodens auf, der durch Lüften nur kurzfristig vermindert wurde, insgesamt aber auch jetzt, zwei Jahre später, noch sehr stark ist.

Im April 2008 fanden Raumluftmessungen bezüglich flüchtiger organischer Substanzen, den sogenannten VOCs, (volatile organic compound) statt.

Beim Betrachten der Messergebnisse (einsehbar auf Anfrage bei der Schulleitung) fällt, neben anderen festgestellten chemischen Stoffen, die  Konzentration von Naphthalin (24,5 µg/m3) vor allem im Raum B209 ins Auge.

Für Naphthalin bestimmt das Umweltbundesamt, wie für viele andere Stoffe auch, keine Grenzwerte für die Raumluftkonzentration, sondern Richtwerte.

Dabei muss man zwischen dem Richtwert I (RW I) und dem Richtwert II (RW II) unterscheiden.

Das Umweltbundesamt schreibt auf seiner Homepage: „Richtwert I (RW I) beschreibt die Konzentration eines Stoffes in der Innenraumluft, bei der bei einer Einzelstoffbetrachtung nach gegenwärtigem Erkenntnisstand auch dann keine gesundheitliche Beeinträchtigung zu erwarten ist, wenn ein Mensch diesem Stoff lebenslang ausgesetzt ist.”

Aha, Stoffkonzentrationen bis RW I werden als unschädlich angegeben.

Zu RW II heißt es: „Er stellt die Konzentration eines Stoffes dar, bei deren Erreichen beziehungsweise Überschreiten unverzüglich zu handeln ist. Diese höhere Konzentration kann, besonders für empfindliche Personen bei Daueraufenthalt in den Räumen, eine gesundheitliche Gefährdung sein.”

Bei Naphthalin liegen die Richtwerte wie folgt: 

RW I: 0,002  mg/m3, 

RW II: 0,02  mg/m3 = 20 µg/m3. 

Somit ist der Richtwert II überschritten.

Im Online-Lexikon Wikipedia heißt es über Naphthalin: „Naphthalin führt auf der Haut zu starken Reizungen und zu Dermatitis. Naphthalin kann die roten Blutzellen schädigen. Beim Einatmen kann es zu Schleimhautreizungen, Kopfschmerzen und Übelkeit, Erbrechen und Verwirrtheitszuständen führen.” Da finden wir die oben genannten Symptome wieder. Weiter: 

„Eine krebserregende Wirkung des Naphthalins wird vermutet.”

Für den Raum B204 wurde außerdem festgestellt, dass die Ausdünstungen Stresssymptome auslösend sind. Wie soll man unter Stress vernünftig lernen, geschweige denn Klassenarbeiten/Klausuren schreiben können?

Auch wenn für die „Container” der MLS (F- und G-Gebäude) keine konkreten Messergebnisse vorliegen, besteht der Verdacht, dass die dortige Schadstoffsituation ähnlich ist. Zwar stehen die Gebäude nur bis nach dem Umbau (2012), jedoch ergibt das insgesamt sieben Jahre Container.

In der Arbeitsstättenverordnung von 1997 (ArbStättV 1997) heißt es, dass „während der Arbeitszeit ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft vorhanden sein muss”. „Ausreichend gesundheitlich zuträgliche Atemluft”, wird im Kommentar ausgeführt, „ist in Arbeitsräumen dann vorhanden, wenn die Luftqualität im Wesentlichen der Außenluft entspricht, es sei denn, dass außergewöhnliche Umstände die Außenluftqualität beeinträchtigen.”

Es ist bemerkenswert, dass dieser Absatz in der Arbeitsstättenverordnung von 2004 fehlt. Wird dieses Ziel jetzt nicht mehr verfolgt?

Abschließend lässt sich sagen, dass man bei einer Beurteilung der Schadstoffgefährdung nicht nur die einzelnen Werte sehen darf, sondern auch die Addition vieler Schadstoffe, die im Einzelnen vielleicht unter den Grenzwerten liegen, sich aber im Körper akkumulieren (s. auch Studie von Witte et.al.).