Erhebung zur Lehrergesundheit

hessische Kultusbürokratie hat der Lehrerschaft nahegelegt, an einer »online-gestützten landesweiten Befragung« teilzunehmen

Die hessische Kultusbürokratie hat der Lehrerschaft vor einer Weile freundlich nahegelegt, an einer »online-gestützten landesweiten Befragung« teilzunehmen. In »Kooperation mit dem hessischen Kultusministerium« eruieren die Abteilungen für Klinische Psychologie und für Arbeitspsychologie der Universität Gießen »Belastungen« und »Wohlbefinden« der heimischen Lehrkräfte.

Dabei geht es nicht nur um zu große Klassen oder überfrachtete Lehrpläne. Erhoben wird zum Beispiel auch, ob man Single ist, Kinder hat, »in Trennungsphase« lebt, eine gute Ehe zu führen und seine Ziele zu erreichen glaubt, sich von Kolleginnen oder Freunden unterstützt findet und sich finanziell abgesichert fühlt. Wissen wollen die Psychologinnen außerdem, ob man probIemlösungsfähig und stolz auf sich ist oder die Bedeutung der eigenen Arbeit bezweifelt und sich ausgebrannt vorkommt. Gefragt wird, wie es um eigene Schuldgefühle, Versagensängste und Selbstvorwürfe, Reizbarkeit, Konflikte und Selbstmordgedanken steht. Außerdem soll man Trinkgewohnheiten, Verdauungsschwierigkeiten, Angstattacken, Menstruationsbeschwerden und Probleme beim Geschlechtsverkehr offenlegen.

Manche Lehrer/innen werden vielleicht Fragen nach gewissen systemimmanenten Belastungsursachen vermissen. Andere werden angesichts der erfragten intimen oder heiklen Sachverhalte schlucken, dann aber denken, die Beantwortung sei kein Problem. Schließlich haben die beiden federführenden Professorinnen in ihrem Anschreiben versichert: Da nicht nach »Name, Adresse u.ä.« gefragt werde, könnten die erhobenen Daten »weder einer bestimmten Schule noch einer bestimmten Person zugeordnet werden«. Doch darf man sich auf diese Aussage verlassen?

Beim Aufrufen der Umfrage- Weiset übermittelt man automatisch die eigene IP (= individueller Internetabsender) und den unverwechselbaren »Browser-Fingerprint« (durchs notwendigerweise aktive Javaseript): Gespeichert werden sodann Angaben zu Geschlecht, Alter, Berufsjahren, Schulart, Schulbezirk und Dienstverhältnis. Zusätzlich plaziert der Website-Betreiber auf den Computern der Umfrage- Teilnehmerinnen sogenannte Cookies. Das alles zusammen könnte die Anonymität des einzelnen durchaus zunichte machen.

Beunruhigend wirkt auch der Umstand, daß bei der Internetadresse, die die Professorinnen- für die Lehrerbefragung bekanntgegeben haben, alle Antworten unverschlüsselt übermittelt werden, also unbefugt mitlesbar sind.

Das Kultusministerium hat gegenüber der Lehrerschaft eine Fürsorgepflicht - auch und gerade, wenn eine fremde Firma heikle personenbezogene Lehrerdaten erfaßt. Sollte tatsächlich niemand auf die Idee gekommen sein, im Vorfeld den Landesdatenschutzbeauftragten zu Rate zu ziehen, damit er einen kritischen Blick auf Inhalt und Code der Umfrage- Website wirft und den Vertrag prüft, den die Psychologinnen wegen der Datenverarbeitung doch sicherlich mit der die Website betreibenden GmbH abgeschlossen haben?

Vorsicht: Wer die zugrundeliegende Domain unipark.de aufsucht, wird auf unipark.info umgeleitet. Dabei werden die eigenen Intemetdaten (IP, Browser-Fingerprint und gegebenenfalls Konzern-Cookie) automatisch an den Google-Konzern durchgereicht. Datenschutz ist vielleicht wirklich nicht die oberste Priorität dieser mit »Datensicherheit« werbenden QuestBack GmbH.

Ob Lehrer/innen die Umfrage unter solchen Umständen wohl mit ehrlichen Antworten bedenken? Zweifelhaft könnte die Aussagekraft der Erhebung am Ende auch deshalb sein, weil offenbar neben der umfragerelevanten Berufsgruppe unkontrolliert jeder mitmachen und die Ergebnisse beeinflussen kann. Schade.