Die Europa-Legende

Wann immer Linke Kritik an den Strukturen und an der Politik der Europäischen Union üben, ...

... bringen regierende oder »regierungsfähige« deutsche Politiker, von den Großkoalitionären bis zu den Grünen, ein scheinbar vernichtendes Gegenargument unters Publikum: »Linksnationalisten« träten da auf, die nichts gelernt hätten aus der Geschichte; in die Katastrophe sei Deutschland historisch doch geraten durch seine völkische Engstirnigkeit, in Zeiten Hitlers ins Extremistische gesteigert, Und erst nach 1945 habe deutsche Politik sich glücklicherweise dem »europäischen Gedanken« geöffnet.

Waren die Nazis »Europafeinde«? Mitnichten. Ab Beginn des Zweiten Weltkrieges traten hitlerdeutsche Außenpolitiker, Wissenschaftler und Ökonomen als Planer und Propagandisten eines »neuen, geeinten Europas« auf, auch der »Führer« selbst sprach gern von der »europäischen Neuordnung«, die »Frieden nach innen« bringen werde. Walther Funk, Reichswirtschaftsminister und Präsident der Reichsbank, setzte 1940 den Leitbegriff einer »Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft« in die Welt, und Fachleute entwarfen die ökonomische Architektur für einen »Großraum Europa«, mit einem gemeinsamen Binnenmarkt, mit Konzentration bei den Banken und in der Industrie, auch mit »europäischer Mobilität« der Arbeitskräfte. An eine gemeinsame europäische Armee war gedacht, in der Waffen-SS dienten ja schon Hunderttausende von Freiwilligen aus anderen Ländern Europas. Eine Reihe europäischer Länder sollte im künftigen »Großraum« formell Selbständigkeit behalten - politisch, wirtschaftlich und militärisch werde sich »die deutsche Führung ganz von selbst ergeben«, hieß es in den internen Entwürfen des NS-Regimes. Diesem »Neuen Europa« unter deutscher Hegemonie waren als globalpolitische Funktionen zugedacht: Machtkonkurrenz im Weltmarkt mit den USA und Großbritannien. geopolitischer Einflußgewinn in Afrika, dem Nahen Osten und am »eurasischen Rand«, Zerschlagung der Sowjetunion, Eingliederung des Baltikums und der Ukraine in das Herrschaftssystem der »europäischen Einheit«. Als die Niederlage Hitlerdeutschlands sich abzeichnete, machten sich SS-Intelligenzler und Ökonomen Gedanken darüber, wie Grundlinien ihres Entwurfs »europäischer Gemeinschaft« auch in einer neuen Machtkonstellation, nun unter atlantischem Schutz, weiter wirksam bleiben könnten. 

Wer die »europäische Gerneinschaft« beschwört, so zeigt sich, hat dabei nicht unbedingt Freundliches für alle Europäer im Sinne. Und auch nicht für alle außereuropäischen Menschen. A. K.