Das nüchterne Fazit:

Beklagenswerte Zustände an Wiesbadener Schulen werden an der Tagesordnung sein

Dort unten in Biebrich, eingeklemmt zwischen Zweckbauten und Wohnhäusern, die frühe Schatten werfen, zweigeteilt und durchgetrennt von einer lauten, quirligen Hauptverkehrsstraße, mit schäbiger Fassade und handtuchschmalen Pausenhöfen, alt, aber nicht ehrwürdig, liegt die Freiherr-vom-Stein-Grundschule. Wahrlich kein Schmuckstück, kein Ort zum Vorzeigen. Doch wir sind gern hergekommen, denn uns erwartet ein engagiertes Kollegium, unverzagt trotz unguter Bedingungen und eine energische, tatkräftige Schulleiterin. Anlass ist: 2. Runder Tisch zum Thema Schulsanierung: Viele Worte, aber keine konkreten Zusagen!

Auch in Zukunft werden beklagenswerte Zustände an Wiesbadener Schulen an  der Tagesordnung sein. Das ist, kurz gesagt, das nüchterne Fazit aus der Veranstaltung vom 18. Mai in der Freiherr-vom-Stein-Schule in Biebrich. Kollegium und Schulleitung hatten bereitwillig ihre Turnhalle als Versammlungsraum angeboten, so dass alle, die wollten, das Mängellager Grundschule in Augenschein nehmen konnten. Die GEW hatte dazu VertreterInnen  der betroffenen Schulen, Elternbeiräte sowie Oberbürgermeister Dr. Müller, die Schuldezernentin Frau Scholz und Hochbaudezernentin Frau Thies eingeladen.

Der 2. Runde Tisch sollte auch klären, was sich seit der letzten Gesprächsrunde im Januar an den Schulen getan hatte. Allgemein war man sich einig, dass sich die Kommunikation zwischen Schulen und Magistrat verbessert habe. Nun, das ist brav, aber eigentlich selbstverständlich und reicht hier einfach nicht.
Leider hat sich nichts geändert, so fasste Stefanie Schulz von der Freiherr-vom-Stein-Schule den kollektiven Missmut zusammen. Weiterhin versiffte Klassenzimmer, zum Teil unbenutzbare Räume, zu wenig Platz für die Kleinen. Die FR titelte dazu anschaulich: "Käfighaltung für die Kleinen". Zu wenig Ausweich- und Fachräume. Toiletten, immerhin vorhanden, allerdings auf dem Hof und in betrüblichem Zustand.
Raumnot allenthalben, auch an den anderen Schulen.
Wann passiert endlich was?, fragte die Grundschullehrerin. Darauf blieb der Oberbürgermeister die Antwort schuldig.

Schulleiterin Bender berichtete von der Albert-Schweitzer-Schule, wo der Raumbedarf nur zu 54% gedeckt sei. Außerdem sei das Raumklima ein Problem: Im Sommer zu heiß, dafür im Winter eiskalt.
An der Niemöller-Schule wird die versprochene, wegen Ganztagbetriebs dringend erforderliche Mensa, auf eine Cafeteria geschrumpft.

Die Mängelliste und die Liste der unerfüllten Wünsche wurde, wie beim letzten Termin, immer länger. Und es ist nach wie vor augenfällig, dass hinter Wiesbadens hübscher und mondäner Fassade ausgerechnet die Grund- und Förderschulen ihrem langsamen Verfall wegen öffentlicher Vernachlässigung entgegendämmern.
Der OB redete viel und ausführlich über Geld, das eigentlich nicht vorhanden sei, das aber dennoch - wegen Prioritäten – dann für andere Projekte (mit Hinweis auf das Sonderkonjunkturprogramm) ausgegeben werden müsse. Dadurch könne die eine oder andere Schule auch immer mal wieder von der Hitliste verschwinden. Immerhin räumte er ein, dass seit Jahrzehnten die Schulgebäude bei der Verteilung der Gelder nicht ausreichend  berücksichtigt worden seien.

Apropos Geld. Die Public-Private-Partnership Projekte (PPP) sind – genau genommen – Sale– und Leaseback-Geschäfte nach privatkapitalistischer Manier. Der Staat verkauft Gebäude u.A. an Investoren und mietet sie von diesen zurück. Der für die Weiternutzung zu zahlende Mietzins führt zu einer mindestens den Folgen der Kreditaufnahme vergleichbaren Belastung. So sollen fünf Schulen (Johannes-Maaß-Schule, Albert-Schweitzer-Schule, August-Hermann-Francke-Schule, Comenius-Schule und Freiherr-vom-Stein-Schule), deren Zustand am desolatesten ist, als "interne öffentlich-private" Projekte saniert oder neu gebaut werden. Also doch Schulden machen! Das hat die GEW schon vor einem Jahr gefordert!
Wie sieht’s denn  nun konkret aus? Baubeginn an den Schulen? Zum Beispiel an der auch völlig maroden Comenius-Schule?

Na ja, 2011 sei man mit der Planung und der Erstellung des Finanzrahmens soweit. Bis dann alles genehmigt sei, könne es hoffentlich(?) 2013 losgehen.
 
Ob die Bürger so viel Stillstand wählen wollen? Immerhin stehen in der Stadt 2011 die Kommunalwahlen an.
Für die GEW heißt es jedenfalls: Bloß nicht locker lassen! Noch mehr Öffentlichkeit herstellen!
Denn: Mit Worten allein (oder doch mit einem Zauber?) beseitigt man weder Schimmel, noch Verfall, noch Raumnot. Da hilft nur, den Staatssäckel zähneknirschend aufschnüren und endlich loslegen ...!