Beitrag von Erich Schaffner (Schauspieler)

auf der Protestkundgebung gegen die Verleihung der Wilhelm-Leuschner-Medaille an Roland Koch

1.12.2017 Wiesbaden

(…) In einer Umfrage. „Wem vertrauen die Deutschen?“  vertraute man den Feuerwehrleuten, dann kamen die Piloten, Krankenschwestern –  Platz 16 erreichten die Finanzberater und auf dem letzten von 20 Plätzen landeten die Politiker, noch hinter den Autoverkäufern.

Wie kommt das? Harald Schmidt hatte die Antwort:

„Die Garderobenfrauen im Reichstag bekommen viel zu wenig Geld.

Bundestagspräsident Thierse sagt, er kann nichts tun, die Damen werden von einer Fremdfirma beschäftigt – das gilt auch für viele Abgeordnete...

Der „böse“ Österreicher Karl Kraus nannte den Parlamentarismus „.die Kasernierung der politischen Prostitution.“ 

Wenn Sie dem nicht glauben, dann vielleicht Horst Seehofer:

„Diejenigen, die entscheiden, sind nicht gewählt und diejenigen, die gewählt werden, haben nichts zu entscheiden.“ CSU-Chef Horst Seehofer am 28.05.2010 bei „Pelzig unterhält sich". Seehofer! Wenn der’s nicht weiß…?

Ich würde nicht so weit gehen, wie Herbert Wehner… Kennen Sie die Geschichte?

Als der SPD-Abgeordnete Wischnewski (Ben Wisch) zum ersten Mal in den Bundestag gewählt wurde (1957), suchte er dort lange nach seinem Platz und fand ihn schließlich 

in der letzten Reihe. Man wurde dort nach dem Alphabet platziert. Da kam Herbert Wehner zu ihm und sagte: „Hier musst du Arschloch heißen, um nach vorn zu kommen.“

No, wer wollte dem widersprechen? Nach Claus Jacobi, Bild, 20. März 2010

Das bisher von mir Gesagte könnte vielleicht mit dem Etikett „Populismus“ behaftet werden, nach dem Motto: die bösen etablierten Politiker…
Kam der Gauland nicht aus Kochs Stall? oder umgekehrt? Aber ich kann doch nichts dafür, daß Koch zu Bilfinger gegangen ist. Schon Ludwig Börne hat gewußt: 

„Minister fallen wie Butterbrote – gewöhnlich auf die gute Seite.“Koch ist der Beweis, daß persönliche Krisen im Kapitalismus nicht zwangsläufig zur Verarmung führen müssen. Koch hält es mit Woody Allen: „Geld ist besser als Armut, wenn auch nur aus finanziellen Gründen.“ Als Christ hat er sich an Matthäus 25 gehalten: „Denn wer da hat, dem wird gegeben werden…“

Und die Sache mit der doppelten Staatsbürgerschaft  –  „Wo kann man hier gegen die Ausländer unterschreiben?“ –  ist ja auch nicht originär. Schon der Vater von Kurt Tucholsky hat 1894 in einem Brief an die Mutter diesen Sachverhalt beschrieben: Tucholskys Vater 1894                       

Kurt Tucholsky 1932„… mir tut heute schon unser Junge leid, wenn ich daran denke, daß er mal als Vaterlandsverteidiger figurieren soll. … Wenn die Leute an der Spitze in Verlegenheit sind und nicht mehr aus noch ein mit der Politik und ihren Finanzen wissen, dann wird aus der Rumpelkammer die Puppe Patriotismus herausgeholt und ihr Kleid und Mantel – Erbfeind und Heldenmuth – umgehangen, und dann ist der Popanz fertig. … und schließlich haben die dummen Männer und Weiber, Eltern und Kinder die Zeche zu bezahlen, der Generalfeldmarschall kriegt sieben Orden und ein Rittergut…“

Volker Pispers hat gesagt:
„Ich liebe ja das Wort Patriot, diese geniale Mischung aus Patria und Idiot.“

Der arme Roland… hat doch nur gemacht, was man ihm aufgetragen hat:

Na, zum Beispiel: im Januar 2003 schlägt der Industrie- und Handelskammertag vor:

„Arbeitnehmer sollen in den kommenden fünf Jahren 500 Stunden ohne Bezahlung arbeiten.“ FR.18.1.2003

Und was verkündet Roland im April in seiner Regierungserklärung?: „Zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise rief Koch die Bürger auf, längere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich zu akzeptieren.“ 

FR, 24.4.2003

Na also! Er tut, was man ihm sagt. Das macht nicht jeder!

Ins gleiche Horn wie Koch hat Erich Kästner 1928 gestoßen – wenn auch etwas literarischer – in seinem Gedicht „Knigge für Unbemittelte“:

(…) Und wenn sie euch den Lohn entzögen!
Und wenn der Schlaf verboten wär!
Und wenn sie euch so sehr belögen,
daß sich des Reiches Balken bögen!
Seid höflich und sagt Dankesehr. 

(…) Ihr sollt nicht denken, wenn ihr sprecht!
Gehirn ist nichts für kleine Leute.
Den Millionären geht es schlecht.
Ein neuer Krieg käm ihnen recht,
So macht den Ärmsten doch die Freude! 

(…) Und wenn sie euch noch tiefer stießen
und würfen Steine hinterher!
Und wenn Sie euch verhaften ließen
und würden nach euch Scheibe-schießen!
Sterbt höflich und sagt Dankesehr.

Und zum Schluss noch ein revolutionärer Vierzeiler von Robert Gernhardt:

"Der Herr rief: Lieber Knecht, / Mir ist entsetzlich schlecht! / Da sprach der Knecht zum Herrn: / Das hört man aber gern."