Auch Beamtinnen und Beamte dürfen streiken

Bildungsgewerkschaft verlangt Verzicht auf Disziplinarmaßnahmen gegen Lehrerinnen und Lehrer in Schleswig-Holstein

Kiel - Schwerpunkt der tarifpolitischen Regionalkonferenz der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) am Donnerstag im Kieler Gewerkschaftshaus war die Vorbereitung auf die Tarifrunde 2011. In dieser spielen die Arbeitsbedingungen der Lehrkräfte eine wichtige Rolle. Jeder zweite Beschäftigte in den Ländern ist im Bildungssystem tätig. Deshalb waren auch die drakonischen Strafen des schleswig-holsteinischen Bildungsministers Ekkehard Klug (FDP) gegen einen Schulleiter aus Elmshorn, eine gewählte Schulleiterin aus Flensburg sowie zwei weitere Schulleitungsmitglieder und damit der Streik beamteter Lehrerinnen und Lehrer für bessere Arbeitsbedingungen am 3. Juni ein wichtiges Thema.

"Verzichten Sie auf die drakonische und exemplarische Bestrafung der vier Schulleitungsmitglieder. Maximal drei Stunden Streik rechtfertigen in keiner Weise, die Betroffenen trotz ansonsten guter Arbeitsleistungen von ihren Posten zu entfernen", appellierte GEW-Landesvorsitzender Matthias Heidn an den schleswig-holsteinischen Bildungsminister. Auch das sich abzeichnende generelle Beförderungsverbot für Lehrkräfte, die an dem Juni-Streik teilgenommen hatten, schieße weit über das Ziel hinaus.

"Die Disziplinarmaßnahmen gegen streikende Beamte in Schleswig-Holstein müssen eingestellt werden", verlangte Ilse Schaad, Beamten- und Tarifexpertin der GEW und Hauptrednerin während der tarifpolitischen Regionalkonferenz. Sie unterstrich die uneingeschränkte Solidarität der Bildungsgewerkschaft mit den verbeamteten Lehrkräften, die gestreikt hatten. "Das Streikverbot für Beamtinnen und Beamte muss endlich eingemottet werden. Streikrecht ist ein Menschenrecht. Das Verbot ist ein Relikt aus vordemokratischer Zeit. Doch in Deutschland wird meist stillschweigend akzeptiert, dass Beamten ein demokratisches Grundrecht entgegen europäischer Rechtsprechung vorenthalten wird", betonte Schaad. Sie berief sich dabei im Wesentlichen auf zwei Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) und die Praxis in anderen Staaten.

Die Beamten- und Tarifexpertin kündigte an, dass die GEW mit den Türkei-Urteilen des EGMR vergleichbare Entscheidungen auch zum deutschen Streikverbot erreichen wolle. Sie geht davon aus, dass von Disziplinierungsmaßnahmen betroffene Lehrerinnen und Lehrer gute Chancen hätten, diese Prozesse zu gewinnen. Eine Demokratisierung des Beamtenstatus' sei problemlos mit dem Anspruch des Grundgesetzes zu vereinbaren, diesen auch im Rahmen der sog. "hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums" weiter zu entwickeln.

Info: Der EGMR hatte die Türkei wegen ihres generellen Streikverbots für Staatsbedienstete in den letzten beiden Jahren zwei Mal verurteilt. Die Türkei hat im September reagiert: In einer Volksabstimmung sind umfangreiche Verfassungsänderungen beschlossen worden, die unter anderem Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst zulassen.
In der Anlage finden Sie die GEW-Resolution "Bildung ist ein Menschenrecht - Schluss mit der Disziplinierung streikender Beamtinnen und Beamten" zu den Beamtenstreiks am 3. Juni in Schleswig-Holstein.