Elternsprechtag online

"Digital first - Bedenken second“ bleibt in Schule ein problematischer Ansatz. Was es zu bedenken gilt.

Zum alljährlichen Elternsprechtag gilt es stets aufs Neue die Termine zu vergeben, so dass möglichst viele Eltern mit möglichst vielen Lehrer sprechen können. Dieses Spiel lösen Schulen seit Jahren mit eigenen, etablierten Verfahren. Eine neue Variante, die dem Gesamtpersonalrat dieses Jahr durch Rückmeldungen aus mehreren Schulen aufgefallen ist, ist der Weg der Digitalisierung. Hierbei werden Plattformen online gestellt, über die die Eltern ab dem Zeitpunkt der Freigabe Termine aus einer vorgegebenen Liste auswählen und reservieren.

Hierbei fallen – wie man sich leicht vorstellen kann – eine gehörige Menge Daten an. Und diese sind allesamt personenbezogen, da permanent Zuordnungen stattfinden. In diesen Plattformen entstehen nachvollziehbare Strukturen, wann welches Elternteil mit welcher Lehrkraft zu welcher Zeit über welche/n Schüler*in Gespräche führt. Dabei entstehen zwei Grundprobleme:

- Welche Daten werde wozu und von wem erhoben und verarbeitet?

- Wer weiß davon und ist einverstanden?

Für den ersten Fall gibt es das Instrument des Datenverarbeitungsvertrags. Hierin wird klar geregelt, welche Daten zu welchem Zweck erhoben werden. Es wird festgelegt, wer darauf Zugriff hat und welche Speicher-/Löschfristen vorgesehen sind. Dieser Vertrag wird zwischen der Schule und dem Anbieter der Plattform geschlossen. Denn seitens des Dienstherren oder Schulträgers gibt es kein entsprechendes Angebot, durch deren Nutzung sich dies erübrigen würde/könnte. Die Schulen greifen auf einen externen (meist kommerziellen) Anbieter zurück, dem sie zum bereits Aufsetzen und Einrichten des Portals personenbezogene Daten übermitteln müssen (z.B. die Namen der Lehrer*innen). In diesem Fall ist eine informierte Einwilligung aller Betroffenen einzuholen. Informiert bedeutet, dass die obigen Aspekte bekannt und auch so formuliert sein müssen, dass man sie versteht. Die Betroffenen sind - je nach Ausgestaltung der Plattform - sowohl Lehrkräfte als auch Schüler*innen und Eltern. Wesentlich bei der informierten Einwilligung ist, dass man diese ablehnen können muss - es muss also eine echte Option geben. Und letztere ist dann gegeben, wenn dem Ablehnenden durch seine Nichteinwilligung kein Nachteil entsteht.

Weiterhin ist die Beteiligung des Personalrats von Bedeutung. Dies ist unter dem Aspekt der Hebung der Arbeitsleistung und zur Erleichterung des Arbeitsablaufs (§ 74, Abs. (1) Nr. 2 HPVG) notwendig.Wenn weiterhin ein Vorgesetzter (Schulleitung, Aufgabenfeldleitung) Einblick in die Daten hat, ist zudem noch eine Leistungs- und Verhaltenskontrolle der Kolleg*innen möglich. Hier ist der § 74, Abs. (1) Nr. 17 HPVG einschlägig. Wenn dies systemseitig möglich ist (unabhängig davon, ob es getan wird) muss dem öPR die Absicht mitgeteilt und ein Mitbestimmungsverfahren einleitet werden. Es handelt sich bei dem §74 HPVG um erzwingbare Mitbestimmung. Dies heißt, dass vor Abschluss des Mitbestimmungsverfahrens die Maßnahme nicht durchgeführt werden darf

Schließlich auf der Ebene der Eltern wird man natürlich diejenigen finden, die ein solches System begrüßen. Hier werden entsprechend einer „digital first“-Strategie vor allem diejenigen bevorteilen, die in diesem Bereich die entsprechenden Möglichkeiten haben, sich bei einem solchen Verfahren durchzusetzen im Wettlauf um die Plätze. Seitens der Lehrer*innen wird es erschwert, einen nach pädagogischen Gesichtspunkte steuernden Einfluss zu nehmen.

Die Einschätzung des Gesamtpersonalrats ist insgesamt, dass ein derartiger Einsatz nicht möglich ist, wenn nicht alle Beteiligten eingewilligt haben. Der Aufwand, ein gleichberechtigtes Alternativsystem bereit zu halten, hebt die eingangs beschriebenen Vorteile der digitalen Variante quasi auf. Es ist gut und richtig, auch in Schulen nach Möglichkeiten zu suchen, durch Digitalisierung Verbesserungen und Vereinfachungen herbeizuführen. Dies darf aber nicht um jeden Preis (und schon gar nicht den Preis der Daten) und um seiner selbst Willen geschehen, weil es halt geht. Der Ausgleich aller Interessen und Wahrung der gegebenen Rechte - insbesondere diejenigen der Lehrkräfte - ist letztlich im Mitverantwortungsbereich des örtlichen Personalrats. Da in Wiesbaden vergleichbare Fälle an mehreren Schulen festgestellt wurden, befindet sich der Gesamtpersonalrat zu den Grundsatzfragen und der Entlastung der örtlichen Personalräte hierzu in der Klärung mit dem Schulamt.